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Lobbyist für die Opfer

Der Geschäftsführer des „Bundesverbandes Information und Beratung für NS-Verfolgte“, Lothar Evers, erhielt gestern den Demokratiepreis 2000

Auf dem Schreibtisch von Lothar Evers liegt ein Brief, den ihm die Witwe eines ehemaligen Zwangsarbeiters geschickt hat. Ihr Mann ist im Januar 1999 gestorben – 46 Tage zu früh, um Entschädigung zu beantragen. Den Brief hat Evers noch nicht beantwortet: „Mir fällt keine Antwort ein. Jedes Wort der Erklärung, ein Wort zu viel.“

Der Kölner „Bundesverband Information und Beratung für NS-Verfolgte“, dessen Geschäftsführer Evers ist, kämpft seit sechs Jahren für die Opfer des Naziregimes. Nicht aus Geschäftsinteresse oder Eigennutz, sondern aus tiefer moralischer Empörung. Gestern erhielt Evers in Berlin den Demokratiepreis der Blätter für deutsche und internationale Politik. Wie der vorige Preisträger Daniel B. Goldhagen ist auch Evers jemand, an dem sich die Leute stoßen.

Beim Bundesverband ist er zuständig für die Öffentlichkeits- und Lobby-Arbeit. Doch dem Bild eines Lobbyisten entspricht Evers so gar nicht. Die Sprache der Diplomatie ist seine Sache nicht, auch wenn er sich unbeliebt macht. Lieber sagt Evers geradeheraus, was er vom Entschädigungskompromiss für die Zwangsarbeiter hält. Dass Sinti und Roma leer ausgingen. Dass die Anspruchsberechtigten im Schnitt nur 3.000 Mark erhalten.

Die deutschen Verhandlungsführer wollten den unbequemen Mahner von vorneherein nicht dabeihaben. Es war der tschechische Außenminister, der Evers in seine Delegation berief und ihm so einen Platz am Verhandlungstisch sicherte. Den Demokratiepreis erhält Evers eben auch dafür, dass er sich „jenseits der etablierten Strukturen“ um Aufklärung verdient gemacht hat. Ein Platz zwischen allen Stühlen.

„Wir arbeiten unter zu hohem Druck, zu nah an Schrecken und Tod“, sagt Evers, „so tun wir uns nicht leicht mit Lob und Auszeichnungen.“ Dies gilt umso mehr, als der Streitpunkt Rechtssicherheit die Entschädigungsregelung im letzten Moment doch noch bedroht. Gerade die verfahrene Situation zeigt einmal mehr, wie wichtig die Ehrung für den streitbaren Evers ist, für den es stets um die Sache, nicht um die eigene Person geht. Die Hälfte des Preisgeldes will er an den Fonds zur „Soforthilfe aus Verantwortung“ stiften. An der Stiftungsinitiative der Industrie lässt er kein gutes Haar. Weitere Beitritte erhöhten nur ihr „Erpressungspotenzial“. Für ihn gibt es nur eine Konsequenz: Unternehmen, die keine Zwangsarbeiter beschäftigt haben, sollten das Geld lieber seinem Fonds spenden, „zur Unterstützung der engagierten Bürger, die heute schon Verantwortung leben“. Evers gehört sicher dazu.

NICOLE MASCHLER

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