: Jeder ist sich selbst das Beste
In St. Georg kämpft eine Allianz gegen die geplante Zusammenlegung von Schwerhörigen- und Gehörlosenschule ■ Von Sandra Wilsdorf
Eigentlich wollen alle nur das Beste. Eltern für ihre Kinder, Politiker für ihre Wähler(stimmen), Bürger für ihr Quartier. Deshalb hat sich in St. Georg eine Allianz gebildet, die gegen das Vorhaben der Schulbehörde kämpft, die Schwerhörigenschule im Stadtteil mit der Schule für Gehörlose in Hamm zusammenzulegen.
Politiker, Eltern und SchulleiterInnen wollen erreichen, dass die Schwerhörigenschule stattdessen mit der Heinrich-Wolgast-Schule an der Langen Reihe zusammen kommt. Denn da hätten in St. Georg alle etwas von: Die Eltern, dass ihre schwerhörigen Kinder nicht mit den gebärdenden Kindern der Gehörlosenschule zusammen unterrichtet werden. Lehrer, Schulleiter und Eltern der Wolgast-Schule, dass ihre Schule erhalten bleibt. Denn weil viele Familien das Viertel verlassen, hat die nur noch 300 Schüler. Gemeinsam mit den 180 Schwerhörigen wäre die Existenz erst einmal gesichert.
Bürger- und Einwohnerverein wollen das auch, denn natürlich soll ihr Stadtteil eine Grund-, Haupt- und Realschule haben. Und die Politiker aus der Bezirksversammlung wollen das auch. SPD und CDU vertreten die Allianz auch öffentlich. Klar retten sie ihren Wählern die Schule.
Im Rathaus sehen die Parteifreunde die Lage anders, zumindest bei SPD und GAL. Beide sind für den Behördenplan. „Wir setzen uns dafür ein, dass Restgehör und Lautsprachenentwicklung aller schwerhörigen Kinder so weit wie möglich gefördert werden. Deshalb wird es weiterhin ein differenziertes Angebot geben“, sagt Christa Goetsch, schulpolitische Sprecherin der GAL-Fraktion.
Günter Frank, ihr Kollege von der SPD sagt: „Ich bin der Auffassung, dass Gehörlosen- und Schwerhörigenschule inhaltlich zusammen gehören und man sie deshalb zusammenführen sollte.“ Das sehen nicht nur die Genossen aus der Bezirksversammlung anders, sondern auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs, der das „Wolgast-Modell“ öffentlich machte.
Ausgerechnet die CDU ist sowohl im Bezirk als auch im Rathaus für seine Idee: Die Fraktion bringt bei der nächsten Bürgerschaftssitzung am 21. Juni den Antrag ein, die anstehende Entscheidung auszusetzen, eine Zusammenlegung mit der Wolgast-Schule zu prüfen und ein neues Konzept für die Schulplanung in St. Georg.
Vermutlich vergeblich: Kommenden Mittwoch entscheidet die Deputation der Schulbehörde. „Wir haben einige Argumente der Anhörungen in unsere Empfehlung aufgenommen“, sagt Dagmar Uentzelmann von der Schulbehörde. Aber es bleibt dabei: „Wir können nicht für die immer kleiner werdende Schülergruppe der Gehörlosen eine eigenständige Schule erhalten.“
Auf diesen Fall sind deren Eltern schon vorbereitet: „Wir werden eine Klage prüfen“, sagt deren Sprecher Knud Otto.
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