: „Unser Konter hängt ganz von der Attacke ab“
Droht wieder ein englisch-deutscher Medienkrieg um „geile Krauts“ und „prüde Tommys“? Männer von BILD, „Daily Mirror“ und „Sun“ im Streitgespräch
Bei der Fußball-EM 1996 in England wurde nicht nur auf dem Rasen hart gekämpft. Vor dem Halbfinalspiel gegen Deutschland riefen die englischen Massenblätter den totalen Fußballkrieg aus. Bild schlug zurück. Ulrich Kühne-Hellmessen, stellvertretender Sportchef von Bild, John Cross vom Daily Mirror und Charly Wyett von der Sun proben im Gespräch mit Stephanie Lob schon mal den Ernstfall.
taz: Herr Kühne-Hellmessen, erwarten Sie eine neue „Kriegserklärung“?
Kühne-Hellmessen: Aber ja. Die Engländer werden sich garantiert etwas einfallen lassen. Wir rechnen mit einem Frontalangriff auf der Titelseite.
Und der „Mirror“? Planen Sie eine Großoffensive gegen die Deutschen?
Cross: Diesmal werden wir vorsichtiger sein. Bei der EM 1996 sind wir deutlich übers Ziel hinausgeschossen.
Sie hatten sich mit Ihrer Titelseite „Achtung! Surrender“ viele Feinde gemacht. Das Foto zeigte die Nationalspieler Stuart Pearce und Paul Gascoigne mit Stahlhelmen.
Cross: Es gab zum Teil recht heftige Kritik, sogar in England. Die Press Complaints Commission hat uns Rassismus vorgeworfen.
Herr Wyett, Ihre „Sun“ hat sich auch nicht gerade zurückgehalten. „Let’s Blitz Fritz“ haben Sie getextet. Und aufgerufen, deutsches Bier, Boss-Anzüge und Mercedes zu boykottieren.
Wyett: Man sollte die Rüge der Zeitungs-Kontrollinstanz nicht allzu ernst nehmen. Die beschweren sich über fast alles! Unsere Schlagzeile war scherzhaft gemeint. Ich habe sie meiner deutschen Tante in München gezeigt, und die hat sich schlappgelacht. Aber die Kampagne war ziemlich dämlich. Deshalb wollen wir diesmal nicht auf die Krauts eindreschen.
Woher der plötzliche Sinneswandel?
Wyett: Uns ist klar geworden, wie eintönig das Ganze ist. Unsere Leser haben sich zu Tode gelangweilt.
Cross: Außerdem verstehen sich der deutsche und der englische Trainer, Erich Ribbeck und Kevin Keegan, hervorragend. Und mit Lothar Matthäus hat das deutsche Team einen Spieler, den auch viele Engländer bewundern.
Kühne-Hellmessen: Blödsinn! Ein Deutscher als Lieblingsspieler ... Das ist schon wieder der berühmte britische Humor. Die Engländer haben seit der WM von 1966 kein einziges Spiel mehr gegen uns gewonnen. Das wurmt doch die ganze Nation!
Wyett: England hat diesmal gute Chancen, euch zu schlagen. Aber ich bleibe dabei: Wir haben nichts gegen die Deutschen. Die Franzosen sind schlimmer, echte Jammerlappen.
Falls Englands Boulevardpresse zum Angriff bläst: Wird „Bild“ kontern?
Kühne-Hellmessen: Das hängt von der Attacke ab. 1996 hatten wir schon genug mit der Berichterstattung über unsere siegreiche Elf zu tun.
Aber gab es da nicht eine Geschichte über einen Saunaskandal ...?
Kühne-Hellmessen: Ach ja! Da hat sich die Sun auf Seite 1 empört, dass die deutschen Spieler zusammen in die Sauna gehen. Und das auch noch nackt und nicht, wie in England üblich, mit einer Badehose. Als „geile Krauts“ wurde unser Team beschimpft.
„Englische Mütter erröten beim Anblick der Würstchen“, hieß es in der „Sun“. Und wie haben Sie reagiert?
Kühne-Hellmessen: Wir haben das natürlich richtig gestellt und uns über die prüden Engländer mokiert.
STEPHANIE LOB, 29, ist Absolventin der Journalistenschule in München
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen