: Geheimtip verlässt Nische
Die englische Songwriterin Jan Allain kommt zum CSD nach Hamburg – und spielt danach erstmals auch für Heteros ■ Von Daniel Plettenberg
Es ist nun wirklich nichts Alltägliches, wenn eine englische Lesbe bei einer deutschen Firma einen Plattenvertrag ergattert. Wenn sich die traditionell eher homophobe Musikindustrie dazu bereit erklärt, muss es wohl an dem ungewöhnlichen Talent der Künstlerin liegen.
Vor knapp zwanzig Jahren nahm Jan Allain an der „Folk City Songwriter's Night“ in New York teil und konnte auf Anhieb den ersten Platz einspielen, vor einer gewissen Suzanne Vega. Nach weiteren zehn Jahren Ausbildung an den verschiedensten Musikschulen rund um die Welt war es dann so weit: Jan Allain ging auf die Bühnen und gewann sofort die Herzen der ZuhörerInnen. Seit zehn Jahren tourt die sympathische Engländerin durch die Clubs und Konzerthallen und konnte mal so nebenbei 12.000 CDs verkaufen. Der etablierten Musikindustrie blieb der Name Jan Allain jedoch nahezu unbekannt. In der Schwulen- und vor allem in der Lesbenszene ist sie hingegen schon lange eine der wenigen Stars, blieb aber gut gehütetes Geheimnis der Szene.
Inzwischen hat die Sängerin vier großartige Alben in eigener Regie und auf eigenes Risiko auf den Markt gebracht. Da ist es nicht überraschend, dass das erste offizielle Album mit einem richtigen Plattenvertrag bei dem Indie-Label „Cooking Vinyl/Indigo“ gleich ein Best-of-Album ist. Die schönsten Songs der vergangenen Jahre sowie vier neue Tracks sind auf diesem Album vereint.
Mit ihrer warmen und unaufdringlichen Alt-Stimme singt sie über die Liebe und das Leben, eben die kleinen und großen Themen die jede und jeden betreffen. Die Arrangements sind mal einfach und pur, mal romantisch verspielt, nie aber überladen. Zusammen mit ihrer ehemaligen Cellistin Ilse de Ziah schafft sie es, ihrem Gitarrenstil weitere spannende Facetten hinzuzufügen. Gary Kemp, Gründungsmitglied von „Spandau Ballet“ und nun erfolgreicher Musikproduzent, sagt über das Album „A Kind of Glory“, dass „hier Songs voller Überraschungen sind, die dazu einladen, auch mehrmals gehört zu werden. “ So hat es Jan Allain geschafft, aus der Nischenexistenz als Künstlerin für die Szene herauszutreten und als selbstbewusste lesbische Künstlerin ein beeindruckendes Singer/Songwriter-Album vorzulegen, mit dem sie über die Grenzen der Szene hinaus Erfolg haben kann.
Auf der Premierentour zu dieser CD wird Jan Allain zuerst für alle Lesben und Schwulen am 15. Juni 2000 noch vor der Plattenveröffentlichung im Magnus-Hirschfeld-Centrum am Borgweg spielen. Die offizielle Premiere folgt am 5. Juli im Knust.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen