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Amtsknete als Anreiz zur Maloche

■ Modell von Arbeitsamt und Sozialressort soll Billigjobs fördern

Bis zu fünf Blaue mehr sollen Arbeitslose oder Sozialhilfeempfänger dafür bekommen, dass sie einen schlecht bezahlten Job annehmen. Das ist der Kern eines Modellversuchs, den gestern das Arbeitsamt vorstellte. „Arbeitslose werden mit Nettolöhnen konfrontiert, die den Alimentationen ähneln“, schildert Arbeitsamtsdirektor Christian Hawel ein Dilemma: Wenn solche Menschen dann solche Arbeit annähmen, kämen Kosten für Fahrten, Kleidung, Pausenbrot dazu, durch die ihr Nettoverdienst kleiner sei als zuvor die amtlichen Hilfen. Deshalb schießen jetzt Arbeits- und Sozialamt bis zu 500 Mark pro Monat dazu. Das Projekt von Arbeitsamt und Sozialressort gilt nur für Bremen, nicht für Bremerhaven, kostet rund vier Millionen Mark, läuft zwei Jahre und soll monatlich 50 bis 70 Menschen Arbeit und Geld bringen. Jeder „Fall“ wird ein Jahr lang finanziert. Danach, so hoffen die Initiatoren, habe sich der Mann oder die Frau derart etabliert oder gar hochgearbeitet, dass sie dem Betrieb unentbehrlich geworden seien. Von den rund 4.800 freien Stellen in Bremen gehören etwa ein Fünftel zum Niedriglohnsektor: Jobs in der Landwirtschaft, Fleisch- und Milchverarbeitung, im Recycling oder bei Speditionen.

Die Zulage vom Amt ist ausdrücklich kein Lohnzuschuss: Erstattet wird der Eigenanteil bei den Sozialversicherungskosten, maximal 500 Mark. „Wir wollten bewusst nicht ins Lohngefüge eingreifen“, so Arnold Knigge, Staatsrat im Sozialressort. Dass ein solcherart subventionierter Mitarbeiter Neid bei denjenigen Kollegen erweckt, die sich mit ihrem Mickerlohn zufrieden geben, das sehen Knigge und Hawel auch. Ein Rechtfertigungsversuch: „Solche Leute, die wir dann vermitteln, haben oft keine Ersparnisse mehr beziehungsweise Schulden.“ Sprich, ein bisschen mehr in der Lohntüte sei o.k. Ein zweiter Rechtfertigungsversuch: Der amtliche Zuschuss könne auch als Aufwertung von Billigjobs verstanden werden. Christian Hawel: „Vielleicht erleichtert das den Tarifpartnern ja die Verhandlungsposition.“ Dazu ein Gewerkschafter: „Sowas kann nur einer erzählen, der völlig blind ist“, sagt Wolfgang Döding, Bremer Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten. Von dem Modell bleibe die Arbeitgeber-Politik gänzlich unbeeinflusst.

Knigge und Hawel erhoffen sich nicht zuletzt „fiskalische Effekte“. Bis zu 3,9 Millionen Mark könne allein an Sozialhilfe gespart werden, hat Staatrat Knigge ausrechnen lassen – von neuen Steuern und Beiträgen der dann Arbeitenden ganz abgesehen. Wer in welchem Betrieb bezuschusst wird, soll individuell entschieden werden. Gegen Absahner-Betriebe glaubt man sich gefeit: „Unsere Vermittler wären durchaus in der Lage“, sagt Christian Hawel, „die abzugreifen.“ sgi

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