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Party endet mit Polizeiprügel

Folgenreicher Einsatz wegen Ruhestörung: Polizist schlägt türkischen Berliner krankenhausreif – mit Nasenbeinfraktur und Schädelhirntrauma

von BARBARA BOLLWAHNDE PAEZ CASANOVA

Erfolgreiche Strafanzeigen gegen Polizisten sind oft ein schweres Unterfangen. Korpsgeist und unterschiedliche Versionen des Tathergangs lassen sie zur Ausnahme werden. Doch was einem 41-jährigen Kommunikationswissenschaftler türkischer Abstammung, der 1980 aus der Türkei nach Deutschland floh, passiert ist, dürfte gute Chancen haben, vor Gericht zu landen. Denn es gibt unabhängige Zeugen, die gesehen haben, wie Sait Demir (Name von der Redaktion geändert) von Polizisten krankenhausreif geschlagen wurde. Das Ergebnis: Demir musste mit einer offenen Nasenbeinfraktur, einem Schädelhirntrauma und zahlreichen Hämatomen ins Krankenhaus gebracht und mehrmals operiert werden.

Demir hatte am Abend des 13. Mais eine Party in seiner Wohnung in einem Gartenhaus in der Yorkstraße gefeiert. Gegen Mitternacht rief jemand die Polizei wegen Ruhestörung. Obwohl Demir die Musik sofort ausmachte, als er einige Beamte im Hof sah, hatte er kurz darauf ungeladenen Besuch. Vier Beamte hatten die Tür, die nicht abgeschlossen war, aufgedrückt und durchsuchten die Wohnung. Der Grund: Vom Hof aus hatten sie einige Hanfpflanzen im Fenster gesehen. Obwohl Demir darauf hinwies, dass es sich um THC-freie Pflanzen handele, bestanden die Beamten auf einer Mitnahme. Erst nach mehrmaligem Bitten händigte der Beamte, den Demir für den Einsatzleiter hielt, seine Dienstnummer aus. Demir hatte ihm von sich aus seinen deutschen Pass und seinen Presseausweis gezeigt. Weil die Party ein Stockwerk höher stattfand, bekamen die Gäste von dem Einsatz nichts mit.

Darüber, was auf dem Weg zur Straße passierte, wo die Beamten in ihrem Fahrzeug ein Protokoll aufnehmen wollten, gehen die Versionen weit auseinander. Die Polizei behauptet, Demir sei bei dem Versuch, ihm Handschellen anzulegen, zusammen mit einem Beamten auf den Gehweg gefallen. Demir dagegen erklärt, beim Passieren der Hofdurchfahrt seien ihm gewaltsam die Dienstnummer abgenommen und Handschellen auf dem Rücken angelegt worden. Beim Betreten des Gehweges sei er mit großer Wucht auf den Boden gestoßen worden, wo er kurzzeitig das Bewusstsein verlor. Noch am Boden liegend, sei auf ihn eingetreten worden. Für all das, was sich auf der Straße abspielte, gibt es mehrere Zeugen. Verwunderlich ist, dass einer davon, der den Beamten ausdrücklich sagte, dass er als Zeuge zur Verfügung stehe, bisher lediglich eine Vorladung zu einer Beschuldigtenvernehmung erhalten hat.

Während gegen Demir Anzeigen wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz und Widerstand laufen, hat seine Anwältin Gesa Schulz Anzeigen gegen die Beamten wegen Körperverletzung im Amt und unterlassener Hilfeleistung erstattet. Demir, der auch für das Fernsehen arbeitet, wollte Mitte Mai mit den Dreharbeiten zu einem Dokumentarfilm beginnen, Thema: „Ausländerfeindlichkeit“. Das Projekt muss wegen seiner andauernden Arbeitsunfähigkeit auf unbestimmte Zeit verschoben werden.

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