: Vom Dorfrat bis zum Sicherheitsrat
Bei der New Yorker UN-Frauenkonferenz sind die Frauengruppen gegenüber der Pekinger Konferenz institutionell weiter gekommen als inhaltlich. Daneben gibt es neue Schwerpunkte: Frauenhandel und Frauenbeteiligung an Konfliktlösung
aus New York CHRISTA WICHTERICH
Sie habe lange gezögert, zur Pe- king-plus-Fünf-Konferenz nach New York zu jetten, meint die ugandische Vizepräsidentin Speciosa Kazibwe. Da würden die Regierungen ja doch nur klangvolle Reden schwingen. Außerdem findet sie, dass die Dokumente, die bei UN-Konferenzen verhandelt werden, viel zu ausufernd sind. Wichtig sei es, vor Ort gezielt Schwerpunkte zu setzen. Für Uganda sind das Armutsbekämpfung, Erziehung von Mädchen sowie Stärkung von Zivilgesellschaft und Demokratie.
Zwei Aufgaben hatte die Peking-plus-Fünf-Konferenz: Bilanz zu ziehen fünf Jahre nach der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking und der Frauenpolitik für die Zukunft neue Impulse geben. Doch die Verhandlungen des Ergebnisdokuments hakten sich immer wieder an Punkten fest, die schon 1995 in Peking von konservativen Regierungen angefochten wurden: Sollen Gesundheitsdienste Aufklärung für Jugendliche, HIV-Prävention durch Kondome und Möglichkeiten zur Abtreibung anbieten? Gibt es „die“ Familie oder verschiedene Familientypen, zum Beispiel die allein erziehende Mutter mit Kindern? Soll ein Recht auf gleichgeschlechtliche Sexualität festgeschrieben werden? Häufig ging es dabei nicht nur um die Suche nach Lösungen und Perspektiven, sondern um politische Interessen und das Austesten von Verhandlungsmacht. Konservative Staaten wie der Sudan und der Iran versuchten, Frauenrechte schlichtweg auszubremsen, einige Staaten des Südens wie Kuba wollten sich keine Positionen von den westlichen Ländern aufdrücken lassen.
Armutsbekämpfung steht bei vielen Ländern des Südens ganz oben auf der Prioritätenliste. Globalisierung hat nach Auffassung der armen Staaten des Südens überwiegend negative Auswirkungen auf ihre Länder und dort noch einmal besonders auf Frauen. Dagegen beharrten die Länder des Nordens darauf, eine „ausgewogene“ Einschätzung von Globalisierung“ im Ergebnisdokument festzuschreiben.
Es gab auch neue thematische Akzente: Frauenhandel, Gewalt gegen Frauen in bewaffneten Konflikten. Weltweit wächst der Handel mit Frauen und Kindern. Die Zahl der Opfer wird auf eine Million im Jahr geschätzt. Derzeit ist Mittel- und Osteuropa das Hauptrekrutierungsgebiet der Menschenhändler. „Frauenhandel ist eine Folge von Armut, von Strukturanpassung, von Alternativlosigkeit und Gewalt gegen Frauen“, sagt Usa von der „Globalen Allianz gegen Frauenhandel“ in Thailand. Frauen werden in sklavenähnliche Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft und in Hinterhofbetrieben verkauft, in Ehen und Prostitution gezwungen. Um dieser Form von Frauenrechtsverletzung Riegel vorzuschieben, sind Vorbeugung, Verfolgung der Händler sowie Schutz und Unterstützung der Frauen nötig.
Friedensverhandlungen waren bisher Männersache. Keine einzige UN-Friedensmissionwird von einer Frau geleitet. „Frauen haben nicht nur ein demokratisches Recht, bei Verhandlungen mit am Tisch zu sitzen, es stärkt auch Friedensprozesse, wenn Frauen dabei sind“, forderte Noeleen Heyzer, Chefin des UN-Frauenfonds Unifem. Sie wünscht sich die Partizipation von Frauen an der Konfliktbearbeitung, von Dorfräten bis zum UN-Sicherheitsrat.
Dreh- und Angelpunkt bei allen Themen ist eine stärkere Beteiligung an politischer Macht. „Wenn Frauen eine kritische Masse von 30 Prozent stellen, können sie tatsächlich einen Unterschied machen“, sagt Baleka Mbete, Vizepräsidentin des südafrikanischen Parlaments. Doch die Forderung nach Quoten ist in das Abschlussdokument von New York immer noch nicht aufgenommen worden.
Völlig frustriert war auch die Umweltgruppe, die die Regierungen auf eine Verantwortung für „sauberes Wasser“ und „gesunde Nahrungsmittel“ festnageln wollten. Zufrieden war dagegen die Migrationsgruppe, weil die Forderung nach geschlechtsspezifischen Asylgründen in das Dokument aufgenommen wurde.
Fünf Jahre nach Peking ist Optimismus der Ernüchterung gewichen. Seit Peking haben viele Frauenorganisationen ihre Kooperation mit Regierungen und UN-Organisationen intensiviert. NGO-Vertreterinnen sitzen in fast allen Regierungsdelegationen, andere arbeiten als UN-Beraterinnen. Zwar geißeln die Frauen-NGOs die Willens- und Handlungsschwäche der Regierungen, doch die konfrontative Haltung ist inhaltlichen Annäherungen gewichen. Stimmen aus autonomen Frauengruppen, die vor Kooptierung warnen, waren in der Minderheit.
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