: Wann wird abgeschaltet?
Am Mittwoch wollen Kanzler und Industrie den Atomausstieg perfekt machen. Ein historischer Tag? Manche Grüne haben Angst vor einem Konsens, dem man möglicherweise nicht zustimmen kann. Vieles hängt ab von der letzten, entscheidenden Frage
Noch vier Tage, dann wollen sich Bundesregierung und Stromkonzerne endgültig einigen auf einen Vertrag über den Ausstieg aus der Atomenergie. Seit am Donnerstagnachmittag der Vertragsentwurf durch eine Indiskretion der Energieversorger erstmals an die Öffentlichkeit kam, steigt nun auch die Nervosität in den Regierungsfraktionen. Erstmals sehen auch die Abgeordneten den Entwurf, den bislang nur ein Dutzend Eingeweihte kannten. Den Vertrag, der nicht nur über die Restlaufzeit der Atommeiler, sondern auch über die Restlaufzeit von Rot-Grün entscheiden könnte.
Manchem schwant, dass es eng wird. „Mit Freude sehe ich dem Mittwoch nicht entgegen“, bekennt der grüne Bundestagsabgeordnete Winfried Hermann. „Hoffentlich fällt der Konsens so aus, dass man dem am Ende noch zustimmen kann.“
Bislang lässt sich der Entwurf nur eingeschränkt beurteilen, denn die entscheidende Zahl, die Gesamtlaufzeit der Atommeiler, ist noch offen. Und da hätten die Stromkonzerne gerne 35 Jahre stehen – doch die Regierung besteht (bislang) auf höchstens 30 Jahren. Darauf sollten vor allem die Grünen weiter bestehen. Anderenfalls wird der Konsens nur schwer zu verkaufen sein.
Immer wieder hat der grüne Umweltminister Jürgen Trittin betont, nicht mehr als 30 Jahre geben zu wollen: „Warum soll ich etwas im Konsens zustimmen, was ich im Dissens ohnehin kriegen kann“, war seine Standardantwort seit einem halben Jahr. Denn ein Abschalten nach 30 Jahren per Gesetz ist laut Justizministerium hieb- und stichfest.
Eigentlich sollte die Industrie mit dem Entwurf ganz zufrieden sein. Sie bekommt Flexibilität, weil sie für jeden Meiler ein Stromkontigent erhält und dann selbst entscheiden kann, mit welchen Meilern sie diesen Strom erzeugen will. Die Umrechnung von Betriebsjahren in Stromkontingente wird dabei großzügig angesetzt. Und die Atomstromer dürfen außerdem noch bis 2005 ihren Müll zur Wiederaufarbeitung ins Ausland karren. Zwar machen die Betreiber Zugeständnisse bei den Endlagern und verpflichten sich zu neuen Sicherheitsüberprüfungen ihrer AKWs. Dafür sichert die Regierung zu, die Sicherheitsstandards nicht grundlegend zu verschärfen, und kommt den Versorgern auch beim Meiler Mülheim-Kärlich entgegen.
So müsste also im Gegenzug eher eine kürzere Laufzeit herauskommen, als von Trittin verlangt. Alles über 30 Jahre wäre für die Grünen eine herbe Schlappe. MATTHIAS URBACH
brennpunkt SEITE 3
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