: Verwesende Verwaltung
Mit „Office Killer“ versucht sich die New Yorker Fotografin Cindy Sherman auch am Horrorfilm. Doch ihre Story um eine killende Büro-Tippse ist bemühter B-Schmuddel
Jetzt, wo selbst Tante Frieda weiß, was das knuffige englische Wort „mobbing“ heißt, hat sich auch der Billig-Horrorfilm dieser Problematik angenommen. Dass sich die renommierte New Yorker Fotografin Cindy Sherman entschlossen hat, in nur 26 Tagen einen solchen kleinen Horror-Schinken zu drehen, lässt aufhorchen und hoffen. Das Genre braucht neue Sichtweisen und frisches Blut.
Aus Halloween-Masken und künstlichen Gliedmaßen zusammengestellte Erotikfotos, in rotes Licht getauchte Gummi-Fleisch-Fratzen, deformierte Körper – in ihren fotografischen Arbeiten sucht Sherman, ein bekennender Horrorfilm-Fan, die Auseinandersetzung mit Gewalt, Sex und Tod. Ihre „Untitled Film Stills“ sind Selbstproträts aus fiktiven amerikanischen Filmen und gleichzeitig vertraute Filmfrauenbilder.
Enttäuschend, dass ihr Erstlingsfilm dem ambivalenten Spannungsfeld dieser Aufnahmen nicht standhält. Wieder scheinen die Bilder vertraut, wieder gibt es das Spiel mit Klischees, mit Werbe- und Fernsehstereotypen – aber es gibt wenig Neues zu entdecken. „Office Killer“ erinnert stark an New Yorker B-Film-Perlen der 80er-Jahre (wie zum Beispiel „Basket Case“ ). Vor allem viel Schmuddel und Kunstblut.
Das Mauerblümchen Dorine arbeitet seit Jahren für das Verbrauchermagazin „Constant Consumer“. Das ist die bräunlich patinierte Bürowelt eines New Yorker Altbaus, durch die dünnbeinige Sachbearbeiterinnen und dickbäuchige Verleger fegen. Ein wundersames Universum aus Axelschweiß, fleischfarbenen Strumpfhosen und billigem Woolworth-Sexappeal. Daheim im Obergeschoss von Dorines Häuschen wartet ihre bettlägerige Mutter, um sie zu tyrannisieren. Jetzt soll Dorine im Rahmen der Rationalisierung ihren Job auch noch in Heimarbeit erledigen.
Als der schmierige Vorgesetzte Mr. Michaels beim Reparieren des Kochgerätes einen tödlichen Stromschlag bekommt, nimmt Dorin seine Leiche mit nach Hause. Auch ihre launische Chefin Virginia Wingate (toll zerknittert: Barbara Sukowa), die immer in einem totschicken braunen Kunstlederkostüm durchs Büro stakst, landet bald leblos auf Dorines heimischem Sofa. Der wandelnde Tippsen-Terror legt jede um, die ihr Probleme im Büro macht. Und siehe da, zu Hause klappt die Kommunikation mit den Kollegen plötzlich, keine Widerworte oder Anweisungen – eine langsam faulende Idylle.
Ein paar drollige Blut-Matsch-Spezialeffekte wie aus den besagten Achtzigern gibt es auch. Wenn’s zu läppisch aussieht, haut man noch ne Pulle Ketchup drauf. Insgesamt ist dieser kleine schräge Film aber viel zu vorhersehbar, einfach zu bemüht „independent“ und auch nicht schmuddelig genug, um wirklich zu überzeugen. Im Interview gibt Sherman denn auch zu bedenken: „Was mich bei ‚Office Killer‘ stark zurückband, war das Ziel, einen normalen Film zu machen, in dem die Dinge Sinn ergaben. Und ich merke jetzt, dass ich mich gerne darum bemühen möchte, überhaupt keinen Sinn zu machen.“
PS: Gewarnt sei unbedingt noch vor der deutschen Synchronisation, die sich mit der Qualität von Telefonsex-Fernsehspots messen kann.JÖRG BUTTGEREIT
„Office Killer“. Regie: Cindy Sherman. Mit: Carol Kane, Barbara Sukowa, Molly Ringwald u. a. USA 1997, 99 Minuten
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