: Die Ideenflut kommt
■ 3.000 Verbesserungsvorschläge im Bahn-Ausbesserungswerk zu Bremen sind bundessweit „Spitze“ / Kleiner Spaziergang durch das Werk der Verbesserungsprofis
Kleinen Hindernissen und massig vielen Unwidrigkeiten geht die Bahn an den Kragen. Zettel ausfüllen genügt – und ab in den Briefkasten mit der Idee, wie es besser gehen kann. Im Sebaldsbrücker Ausbesserungswerk DB Regio landeten allein 3.061 solcher Verbesserungsvorschläge im Briefkasten mit dem Drachen drauf für „zündende Ideen“. Und das war 1999 bahnweiter Rekord: „Einsame Spitze“, freut sich Werksleiter Hans-Joachim Seul. Und kassierte jetzt eine Sonderprämie der DB.
Aber: Wie muss es bloß aussehen in dem Werk, mit einem derartig exponentiellen Verbesserungspotenzial? Wo die Sebaldsbrücker doch schon 1998 auf über 2.600 verbesserungswürdige Probleme hingewiesen hatten (und dafür ebenfalls eine Sonderprämie kassierten). 1999 fielen dann schon rund zehn Verbesserungsvorschläge pro Arbeitstag in den kleinen Briefkasten. Rein rechnerisch füllte jeder Mitarbeiter mindestes drei Zettel pro Jahr aus. Ein Ideenflut, die zu 93 Prozent auch umgesetzt wurden. Ja – was herrschen da bloß für Zustände?
„Tip-top“ sei das Werk, meint Seul. Kein Kahlschlag, kein Moloch. Tatsächlich: Aufgeräumt ist es. Jeder Quadratmeter hat seinen Aufseher. Jeder Schrank, jeder Schraubenkasten ist akkurat beschriftet. Auch das waren mal Verbesserungsvorschläge gegen lästige Suchaktionen. 990 Mitarbeiter schrauben und schweißen hier an den Riesen-Diesellocks, die brav rechts und links in Reihe stehen.
Woher zum Kuckuck dann diese Masse an Verbesserungswünschen? Prämien – das ist ein Grund. Pro Vorschlag gibt es Geld, quasi bar auf die Kralle. Zwischen zehn und 100.000 Mark sind drin. Je nach Ideen-Qualität. „Ohne Prämien geht es nicht“, meint der zuständige Verbesserungsmanager mit dem Schlüssel zum Briefkasten, Kai Borchert. „Irgendeinen Anreiz muss man ja schaffen.“ Diesen Monat läuft eine Sonderaktion: Doppelte Prämien, um so was wie einem Ideensommerloch vorzubeugen.
Dafür hat die Bundesbahn unbegrenzt Geld zugesichert. Schließlich spart der Konzern bares Geld durch die Verbesserungen – jahrelang. In den aktuellen Bremer Fällen satte 6,5 Millionen Mark. Das war der DB AG auch 1,5 Millionen Mark an Prämien wert.
3.061 Verbesserungsvorschläge sind für Borchert aber schon hart an der Grenze des Machbaren. „Die Sachen müssen auch bearbeitet werden.“ Und die Masse der Vorschläge kommt durch die Masse an Kleinigkeiten: Rund 2.200 Ideen rechnet Werkschef Seul zum Kleinkram, wie das Umhängen von Lampen oder Namensetiketten. 800 Ideen zählt Seul zu den „großen Schlägen“ gegen unnötige Arbeitswege, Wartezeiten. Die meisten im Bereich Motorentechnik, von Arbeitern, die seit 20 Jahren daran basteln, und dann die Eingebung haben, um Kolbenfrass zu verhindern. „Ein oder zwei Vorschläge machen eine Million Mark aus“, schätzt Borchert.
Aber irgendwann muss doch auch mal Schluss sein mit der Sprudelquelle von Geistesblitzen? Durch viele Verbesserungen muss so etwas wie ein Idealzustand zu erreichen sein? Findet Werkschef Seul überhaupt nicht: Das sei wie mit der neuen Einbauküche, meint Seul: Da hat man erstmal mit Einrichten zu tun: Umstellen, nochmal umstellen, wieder umstellen. „Ich hab da immer neue Ideen“, meint der Werkschef bis die Stellflächen ausgereizt sind. Und dann sei eine neue Küche fällig. So ähnlich darf man sich das im Ausbesserungswerk vorstellen. Mit neuen Produktionslinien, die immer neue Verbesserungsvorschläge nach sich ziehen. Im nächsten Jahr mehr. pipe
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