vorlauf
: Im Kosovo vonKaiserslautern

„ARD-exclusiv – Marky

ermittelt“ (21.45, ARD)

Wenn Marky ermittelt, dann ist er unbewaffnet. Denn nicht Kriminellen spürt er hinterher, sondern solchen, die das vielleicht gewesen und daran gescheitert sind. Der Dieb in Rente etwa, 62 Jahre alt, davon insgesamt 30 im Knast. Marky ermittelt nun zum Beispiel, ob der in seiner Sozialwohnung unerlaubt eine Lebensgefährtin beherbergt. Oder der 51-Jährige, der mit weißem Schoßpudel und Leberzirrhose einsam in seiner Wohnung hockt. Zwei Jahre hat er noch und sich damit abgefunden. Aber einen Heizkostenzuschuss braucht er, also ermittelt Marky.

Norbert Marky ist Außendienstmitarbeiter des Sozialamts Kaiserslautern. Fährt mit seinem blauen Golf zu den „sozialen Brennpunkten“ der Stadt, wie etwa das berüchtigte Viertel Kalkofen, ist mal mehr, mal weniger gern gesehener Gast in den ärmlichen Stuben, befragt Nachbarn – und tastet schon mal das Bett einer alten Frau ab, ob denn da wirklich ein ganz neues geliefert werden muss. Wenn er dort auf erbärmliches Elend trifft, dann ist die Kamera von Kai Diezemann dabei.

Seine Reportage setzt auf schlichte Bilder, spart sich stimmungsheischende Streicher und bewahrt die nötige Distanz zu den Menschen, die zwischen den Scherben ihres ruinierten Lebens sitzen, mit Vorhängen vom 1. FCK vor den Fenstern.

Auf der Straße erzählt ein Greis an Krücken, dass ihn Frau und Kinder verlassen haben, dass seine Eltern und Geschwister im KZ umgebracht wurden – und verrät stolz sein wertvollstes, sein tragisches Geheimnis: „Isch bin gar kä Deutscher. Isch bin seit verzisch Johr schdaadelos“. Der Ausgestoßene tröstet sich damit, der Gesellschaft nie angehört zu haben. Als er schließlich davonwatschelt, ruft Diezemann ihm über die grüne Grenze des Journalismus hilflos hinterher: „Alles Gute!“

Ansonsten wählt der Film sublimere Mittel, das Entsetzen zu bewerten: Ganz am Ende läuft in einer verwahrlosten Wohnung der Fernseher. Eine Seifenoper vielleicht. Wir hören die Stimme einer Schauspielerin, als kommentiere sie das Grauen. Sie sagt: „Das ist interessant.“ ARNO FRANK