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Das Leben ist schön

Das dritte Italienische Filmfest Italia! Cinema! zeigt stille Studien des italienischen Alltags  ■ Malte Hagener

Initialzündungen gab es im europäischen Kino der letzten Jahre zahlreiche. Doch die internationale Aufmerksamkeit, die Filme wie Trainspotting, Lola rennt oder Alles über meine Mutter erregten, können für England, Deutschland oder Spanien keine Modelle für zukünftige Produktionen darstellen. Ebensowenig bieten Roberto Benignis Das Leben ist schön und dessen weltweiter Triumphzug für Italien einen Bauplan, mit dem sich Kunst und Kommerz, Feuilleton und Finanzen versöhnen ließen. Zu singulär sind diese Filmereignisse, zu sehr auf ein formales oder inhaltliches Motiv zugespitzt, das konsequent durchgespielt wird, als dass nach dem gleichen Prinzip Serienfertigung möglich wäre. Deshalb garantieren diese Filme auch nicht, dass beim ausländischen Publikum ein Interesse an den entsprechenden Nationalkinematographien entsteht und damit anderen Filmen aus diesen Ländern der Sprung über die Grenze ermöglicht wird.

Somit sind kleinere Festivals und Reihen weiterhin notwendig, die zudem den Vorteil besitzen, in relativ kompakter Form die besseren Erzeugnisse eines Landes zu präsentieren. Wie die Filmtage „Italia! Cinema!“, die nun schon zum dritten Mal in den Zeise-Kinos stattfinden. Wer die Reihen aufmerksam verfolgt hat, kann interessante Rückschlüsse auf die italienische Situation ziehen, die der deutschen Entwicklung recht ähnlich scheint. Da gibt es zum einen die noch aktiven Altmeister, vertreten durch Paolo und Vittorio Taviani, die in Tu ridi mit Oper und Gewalt auf schon beinahe klassische italienische Themen zurückgreifen. Eigentlich im Vordergrund des Programms stehen aber eine junge Generation wie Nina di Majo (geboren 1975), die in Autunno eindringlich die Tristesse der neapolitanischen Bourgeoisie auf die Leinwand bringt.

Zwei Klippen sind es, die der europäische – und somit auch der italienische – Film zu umschiffen hat. Da ist auf der einen Seite das Erbe des Autorenfilms, immer wieder für tot erklärt und doch in veränderter Form noch immer quicklebendig. Auf der anderen Seite steht ein anspruchsloses Genrekino, das ebenso durch eine formal langweilige wie inhaltlich nichtssagende einheimische Komödienproduktion bestimmt ist wie durch ein schabloniges Hollywood-Kino. Dass jedoch alte Dichotomien wie Hollywood vs. Europa, Kunst vs. Kommerz nicht mehr greifen, demonstriert nicht zuletzt Hollywood selber, das mit Filmen wie Being John Malkovich oder Magnolia erfolgreich Innovation mit Kassenerfolg versöhnte.

Dagegen haben es die italienischen Filme, die jetzt zu sehen sind, nicht leicht. Im Vergleich leise und behutsam, exakt beobachtend und präzise schildernd, so nähert sich beispielsweise Prime luci dell'alba zwei Brüdern, die sich nach dem gewaltsamen Tod ihrer Eltern wieder näherkommen. Ein Film über die Überlebenden der Mafia-Anschläge, aber auch ein Film über zwei Lebensentwürfe: Edo ist erfolgreicher Ingenieur, in Hotels lebend, der seiner sizilianischen Heimat den Rücken gekehrt hat und die gesellschaftliche Enge der dicht geknüpften Gemeinschaft nicht ertragen kann. Saro dagegen sitzt im Rollstuhl und erkennt die ganze Welt in seiner Kleinstadt. Warum soll er nach Rom oder Paris, wenn es doch hier auch alles gibt. Über die Erinnerung an die Eltern lernen die beiden sich kennen, verstehen und nicht zuletzt respektieren. Die Aufmerksamkeit gilt gerade nicht den medienwirksamen Bluttaten, den direkten Opfern und Tätern, sondern denen, die zurückbleiben, wenn die Reporterschar zum nächsten Ereignis weitergezogen ist.

Auch auf andere Art zeigt Prime luci dell'alba eine neue Tendenz, die sich subtil alten Kategorien entzieht: Selbstverständlich werden wieder Geschichten erzählt, die sich weniger aus einer Ereignisdramaturgie ergeben, sondern eher durch Psychologie bestimmt sind. So porträtiert Radiofreccia eine Kleinstadtclique rund um einen freien Radiosender in langen Rückblenden, Un amore bildet in 12 Szenen, die eine Zeitspanne von 20 Jahren umfassen, die offene Geschichte eines Paares ab; vom Kennenlernen und erster Liebe über Krisen und Trennungen, Heirat mit anderen bis zu heimlichen Treffen und Streitereien, ohne formal und inhaltlich eine Lösung vorzugaukeln.

Dabei ist es weniger die äußere Realität der Figuren, die derart beschrieben wird, sondern in formal anspruchsvollen Filmen geht es darum, innere Vorgänge zu umkreisen und aus verschiedenen Perspektiven abzubilden. Im Gegensatz zu den Auswüchsen einiger Autorenfilme haben die Filme jedoch stets ein Publikum im Blick, wollen nicht zuletzt unterhalten, und nehmen sich zugleich der politischen und gesellschaftlichen Realität an.

Fr, 23. bis Mi, 28, Juni, Zeise Kino, Programm siehe taz-Filmübersicht!

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