: Sprachlos ist was anderes
■ Heute bis Sonntag: Georgische Stummfilme im Metropolis
In der Nähe von Tblissi (Tiflis) wurde 1879 der Mann geboren, der bis in die 50er-Jahre hinein wie kein weiterer auf die Filmproduktion Georgiens Einfluss nahm: Jossif Wissarionowitsch Dschugaschwili, also known as Stalin. Das Metropolis startet ab morgen eine kleine Reihe mit georgischen Stummfilmen, darunter von den Sowjets geächtete wie geförderte.
Das Salz Swanetiens etwa des Georgiers Michail Kalatosow, 1930 in der UdSSR entstanden, genügte, obwohl er stark an Buñuel erinnert, den kulturpolitischen Ansprüchen der Ära. Der Film dokumentiert das unkomfortable Leben einer Reihe von Bergbewohnern in Ober-Swanetien. Während andere Filme schon unter das Verdikt fielen, zu formalistisch zu sein, konnte dieser Film, wohl seines Endes wegen, noch eine gehörige Portion Expressionismus und Surrealismus wagen: Die letzten Einstellungen zeigen, wie die Bergbewohner dank des ersten Fünfjahresplans zu größerer wirtschaftlicher Prosperität gelangen.
Mit dem 1929 von Konstantin Mikaberidse gedrehte Film Meine Großmutter (Tschemi Bebia) dagegen wurde erstmals ein Film des Landes verboten. Der bissigen Satire auf Bürokratie, Karrierismus und Spießbürgertum sah man seinen Surrealismus nicht nach. Erheblich weniger düster als nach ihm Kalatosow, von der Musik zusätzlich ironisiert, bebildert Mikaberidse die unsinnigen Wege von Papier in bürokratischen Institutionen.
Von dem erst später verfehmten Nikolos Schengelaja präsentiert das Metropolis den 1928 gedrehten Film Elisso in einer Tonfassung von 1935. Sowjetische Kritiker seiner Zeit beeindruckte der Historienfilm wegen seiner schonungslosen Darstellung der Kolonisation des Kaukasus durch die zaristische Armee. Da „stören auch die kinematographischen Freiheiten nicht mehr“, befand damals die Prawda.
Fünf Kurzfilme von Michail Kobachidse, allesamt ohne Dialoge, demonstrieren den damals im Ausland gefeierten und in der Sowjetunion durchgefallenen Versuch, in den 60er-Jahren noch einmal an die bizarren und humoresken Traditionen der frühen Stummfilme anzuknüpfen.
Christiane Müller-Lobeck
Die Reihe startet mit Elisso (22.6., 21.15 Uhr + 23.6., 19 Uhr); Kurzfilme von Michail Kobachidse: 24. 6. in Anwesenheit des Regisseurs, am 25.6. zusammen mit Das Salz Swanetiens, jeweils 19 Uhr, Meine Großmutter ist zu sehen am 24.6., 17 Uhr und am 25.6., 21.15 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen