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Kultur ist, wenn alle die Bühne verlassen

Das Parlament debattierte über Hauptstadtkultur, doch die meisten Abgeordneten wollten davon nichts wissen

Geht es im Landesparlament um das Thema „Kultur“, leeren sich die Bänke der Senatoren und Abgeordneten. Das ändert sich auch dann nicht, wenn die „Hauptstadtkultur“ auf der Tagesordnung steht, wie gestern bei der „Aktuellen Stunde“. Der Streit zwischen dem Bund und dem Land Berlin um mehr Finanzmittel (bisher 100 Millionen Mark jährlich) und die Neuverteilung hauptstädtischer kultureller Institutionen spielt sich im Wesentlichen hinter der Bühne des Landtags ab. Dort kanzelte CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky Kulturstaatsminister Michael Naumann (SPD) sogar schon als „Kulturschlaumeier“ ab. Schade eigentlich, ist doch Berlin gefragt, Vorschläge für einen neuen Hauptstadtkulturvertrag zu debattieren, der die Zuständigkeiten neu regeln soll.

Mit wenig Konkretem wollte gestern Kultursenator Christoph Stölzl im Abgeordnetenhaus aufwarten, trotz eines Treffens mit Naumann am Mittwoch. Einigkeit, so Stölzl, habe er mit dem Bund darin erzielt, dass das Jüdische Museum als Einrichtung von nationaler Bedeutung ab 2001 zu „100 Prozent vom Bund finanziert“ werden soll. Keine Übernahme durch den Bund werde es dagegen bei den Berliner Philharmonikern geben, sagte Stölzl. Das Orchester werde „nicht in die volle finanzielle Verantwortung des Bundes übergehen“. Dem entsprechenden Angebot von Naumann habe er eine klare Absage erteilt.

Stölzl kündigte an, noch bis zur Sommerpause den Entwurf eines Hauptstadtkulturvertrages vorzulegen, und appellierte an die Bundesländer, sich als Kooperationspartner der gesamtstaatlichen Kultureinrichtungen zu verstehen und sich ihrer Verpflichtung nicht zu entziehen, Lasten anderer mitzutragen.

Nach Ansicht der kulturpolitischen Sprecherin der Grünen, Alice Ströver, bedeutet dies die richtige Strategie: Weil dem Land das nötige Geld fehle, sitze der Bund am längeren Hebel und könne selbst bestimmen, welche Kultureinrichtungen – wie etwa die Topographie des Terrors, die Staatsoper oder andere große Bühnen – er fördern will oder nicht. Sie plädierte dafür, „die Länder mit ins Boot zu nehmen“ und eine gemeinsame Stiftung nach dem Vorbild der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu errichten, um insbesondere die finanzielle Absicherung der überregional bedeutenden Ehrenmale und Gedenkstätten zu sichern.

Während Ströver den Kultursenator aufforderte, sich bei Naumann dafür einzusetzen, bei der Übernahme neuer Kultureinrichtungen durch den Bund die bisherigen Subventionen für das Land nicht zu kappen, geht dies dem PDS-Abgeordneten Wolfgang Girnus nicht weit genug. Die jetzigen zusätzlichen 100 Millionen Mark seien nicht ausreichend. Vielmehr müsse zusätzliches Geld bereitgestellt werden.

Das griff die CDU-Abgeordnete Monika Grütters – wie auch schon vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Klaus Wowereit vorgeschlagen – auf und verlangte, dass die Summe auf wenigstens 150 Millionen Mark erhöht werden sollte. Ein guter Vorschlag, aber gehört hat dies im Hohen Haus kaum einer.

ROLF LAUTENSCHLÄGER

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