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Saniert Strieder!

Von Vorwahl zu Vorwahl verliert SPD-Boss Peter Strieder das Vertrauen seiner Basis. Dabei müsste er nur von Bundeskanzler Schröder lernen. Der bekam schließlich auch ein neues Image verpasst

von UWE RADA

Schon von Amts wegen erfordert der Job des SPD-Landesvorsitzenden eine gespaltene Persönlichkeit. Nach innen muss er als Therapeut der „offenen Selbsterfahrungsgruppe SPD“ (Ex-Bausenator Wolfgang Nagel) wirken, nach außen als skrupelloser Macher. Er muss die verletzte Seele der Parteibasis verstehen und dem politischen Gegner das Wort im Mund verdrehen, muss bittere Wahrheiten vermitteln, diese Wahrheiten im Anschluss aber noch bitterer beklagen können. So schlecht Peter Strieder, seit knapp zwei Jahren in diesem Amt, in den letzten Wochen gegen seine Gegner auch ausgesehen hat – eigentlich stehen seine Chancen nicht schlecht. Vorausgesetzt, er kennt seine Schwächen, sucht seine Stärken und ist bereit, nicht nur seiner Laune, sondern auch Beraters Stimme zu folgen. Weil der Vorsitz der SPD jeden angeht, erlaubt sich auch die taz, im Folgenden sieben Vorschläge zu unterbreiten.

Erstens: Erwachsen werden. Schon immer haftete Peter Strieder der Ruf politischer Unbekümmertheit und jugendlichen Leichtsinns an, ein Umstand, um den die Parteibasis weiß, und den seine Gegner weidlich ausnutzen. Deshalb: Schluss mit dem Bubenface, Herr Strieder, Sie müssen endlich erwachsen werden! Weil das nicht ganz einfach ist, muss zunächst am Outfit gebastelt werden. Basecaps wie zuletzt bei der Beerdigung des verstorbenen Kantors der jüdischen Gemeinde sind selbstredend tabu. Stattdessen muss eine neue Brille her. Eine mit betonten Rändern, damit auch jeder sieht: Dieser Mann hat Durchblick. Selbst ein Hut kann nicht schaden. Der vermittelt männliche Reife und ein gerüttelt Maß an Traditionsbewusstsein (August Bebel).

Zweitens: Erfolgreich sein. Gerhard Schröder hat es vorgemacht. Noch im Brioni-Anzug und mit Zigarre sanken die Sympathiewerte, als Holzmann-Sanierer war er wieder obenauf. Warum soll dies nicht auch Strieder gelingen? Der Anfang ist schon getan. Als Fürsprecher von Dussmann und den Galeries Lafayette hat sich der SPD-Chef als Retter der Friedrichstraße und als Gegner der U 5 inszeniert. Und die Sanierung des Olympiastadions ist beschlossene Sache.

Ein Erfolg freilich reicht nicht, vonnöten ist das Image des Erfolgreichen. Oder das eines weltgewandten Intellektuellen wie Michael Naumann. Beides kann im übrigen miteinander verbunden werden. Unser Vorschlag: Lassen Sie Ihre kleinkarierten Bedenken gegen den Bau der „Topographie des Terrors“ sein und ermöglichen Sie den Zumthor-Entwurf, koste er, was er wolle. Der Dank der Nachwelt wäre Ihnen sicher und der Damenwelt sowieso, wegen der Erotik des Erfolgs.

Drittens: Memory-Trainer engagieren. Peter Strieders Faible für politische Positionswechsel ist sprichwörtlich. Das muss nicht unbedingt ein Makel sein, vorausgesetzt, die Fähigkeit wird offensiv verkauft. Ein Stab von Memory-Trainern könnte hier Wunder wirken. Ausgestattet mit neuester Informationstechnologie, tragbar natürlich, könnte Strieder ständig abrufen, was er gestern mal gesagt hat, heute aber schon nicht mehr gelten soll. Das kann dann gleich geschickt in die wörtliche Rede eingebaut werden, damit es am Ende nicht die Journalisten sind, die die Kehrtwendung des Vorsitzenden enthüllen. Enthüllt sie Strieder selbst, wirkt das dagegen modern, intellektuell flexibel und mit dem nötigen Mut für Veränderung, die bei sich selbst beginnt.

Viertens: Die Sprache der Basis sprechen. Den fränkischen Dialekt wird man ihm nicht mehr abgewöhnen können, wohl aber die nasale Überheblichkeit. Deshalb: Wer SPD-Parteivorsitzender bleiben will, muss über sich selbst zweifeln, anstatt demonstrativ über die Basis zu verzweifeln. Mehr Fragesätze sind deshalb gefragt. Motto: Zuerst zögern, dann anpacken. Wer nur in Ausrufezeichen redet, zeigt, dass er zwar Lösungen parat hat, aber kein Problembewusstsein. Unser Tip: Besuchen Sie die Basis, solang es die noch gibt! Für ein erstes Mal ist es nie zu spät!

Fünftens: ein ehrlicher Makler sein: Auch die Parteibasis weiß, dass sich manches ändern muss. Aber sie weiß auch, dass nicht alles schlecht war, nicht einmal unter Detlef Dzembritzki. Die nötigen Veränderungen müssen deshalb nicht exerziert, sondern kommuniziert werden. Am besten lässt sich dies beim Verkauf der GSW verdeutlichen. Herr Strieder! Warum suchen Sie nicht, auch unter behutsamem Einsatz des Händeringens, nach Alternativen? Wenn sich diese hinterher als nicht machbar erweisen, muss das ja nicht unbedingt Ihr Problem sein. Der Verkauf der GSW wäre in diesem Falle das Ergebnis des Unvermeidbaren. Dieses sollten Sie dann wortreich beklagen, nur mit schmerzverzerrtem Gesicht Ihre Unterschrift geben und das eigene Büro schließlich für die Gründung einer Mieterinitiative zur Verfügung stellen.

Sechstens: Teamgeist. Gerne heißt es über den SPD-Landesvorsitzenden, er zeichne sich weniger durch Teamgeist als vielmehr durch politische Alleingänge aus. Solche Images gehören zu denen, die sich am hartnäckigsten halten und die, wenn überhaupt, nur durch einen hohen persönlichen Einsatz zu entkräften sind. Hier ist vor allem Strieders Ehefrau und Noch-Stellvertreterin Monika Buttgereit gefragt. Als Partnerin in Privatem und in der Politik ist sie es, die am ehesten in der Lage ist, mit der Mär des Autisten und Alleinunterhalters aufzuräumen. Frau Buttgereit! Teilen Sie der B.Z. mit, wie sich Ihr Peter am Abwasch beteiligt und dass er am Abend auch gerne bereit ist, die Fernbedienung aus der Hand zu geben.

Siebtens: Wieder politisch werden. Politik gilt ja nicht umsonst als Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Warum nicht auch in der Großen Koalition? Kein anderer eignet sich deshalb besser zum Aufbau eines Gegenspielers wie der CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Rüdiger Landowsky. Der hat Kanten, eckt an und sitzt – damit ist auch dem Koalitionsfrieden Rechnung getragen – nicht einmal am Kabinettstisch.

Also, Herr Strieder, zeigen Sie, was in Ihnen steckt, greifen Sie an, Mann gegen Mann! Frieden können Sie immer noch schließen, aber bitte nicht immer erst dann, wenn der Gegner schon in Ihrem Vorgarten steht. Auch nach dem 15. Juli soll Strieder schließlich wieder mit den Worten „Standpunkt“, „Treffsicherheit“, „Risikobereitschaft“, „Intelligenz“, „Erfolg“, „Durchsetzungsfähigkeit“, „Erfahrenheit“ und „Rechtschaffenheit“ buchstabiert werden.

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