: Bierernster Konsenswunsch
Seit gestern diskutiert die Gesundheitsministerin mit Werbe- und Medienmanagern über eine freiwillige Beschränkung bei der Werbung für Alkohol. Eine Übereinkunft ist nicht in Sicht
von PEER SCHADER
Wie lange wird er wohl noch segeln, der Becks-Dreimaster, der allwöchentlich als Sponsorhinweis um das Sat.1-Sportflaggschiff „ran“ herumschippert? Geht es nach den Vorstellungen von Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer und der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Christa Nickels, hat es sich schon bald ausgesegelt – und das nicht nur für die Becks-Brauer. Mit umfassenden Einschränkungen bei der Werbung für Alkohol in Fernsehen und Hörfunk sollen Kinder und Jugendliche künftig vom Konsum abgehalten und einem Missbrauch vorgebeugt werden.
Seit gestern diskutieren Politiker und Vertreter der Werbe- und Medienwirtschaft über eine „freiwillige Beschränkung“ von Werbung für Tabak und Alkohol – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. „Kein Kommentar“, heißt dazu derzeit es aus dem Büro von Christa Nickels.
Kein Wunder, sind bei diesem sensiblen Thema die Aussichten auf eine Einigung mit der Werbewirtschaft doch eher gering. Zwar betonen Sprecher des Ministeriums, dass der angepeilte Konsens nicht einem Verbot, sondern der freiwilligen Einschränkung entspräche – ähnlich der bereits bestehenden Richtlinie zur Beschränkung einschlägiger Werbung, die von der Industrie bereits akzeptiert wurde. Doch „Freiwilligkeit“ ist für Volker Nickels vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) lediglich ein Umweg, auf dem das „private Fernsehen kaputtgemacht“ werden soll. Der ZAW befürchtet allein im TV- und Hörfunk-Bereich den Verlust von mehr als einer Milliarde Mark an Werbeeinnahmen, Erträge durch Sponsoringverträge und so genanntes Event-Marketing noch nicht eingerechnet.
Rund 42 Milliarden Mark wurden im vergangenen Jahr mit Werbung verdient, davon etwa 10 Milliarden im TV- und Hörfunk-Bereich. Den größten Brocken nimmt dabei Werbung für Autos und Telekommunikationsnetze ein – eine Einschränkung könnte also zu verschmerzen sein. Doch argumentiert der ZAW, dass gerade mittelständische Unternehmen durch ein Verbot jeglicher Möglichkeiten beraubt würden, sich gegen die Konkurrenz am Markt zu behaupten.
„Ich glaube nicht, dass die Industrie Zugeständnisse machen wird“, sagt Rolf Hüllinghorst, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle gegen Suchtgefahren (DHS) in Hamm. Hüllinghorst begrüßt Einschränkungen als „ersten Schritt“ für ein ganzheitliches Werbeverbot: „Vor allem die Entzerrung der Verbindung von Sport und Alkohol wäre effektiv“, so der Geschäftsführer der DHS.
Derweil geht das Zittern in den Chefetagen der Medienindustrie weiter. Denn Sportübertragungen ohne Sponsor scheinen dort kaum mehr vorstellbar. Und da ohnehin Werbeverträge aus der Tabakreklame künftig ausbleiben werden, will man nun nicht auch noch eine Einschränkung der Werbung für alkoholische Getränke riskieren. Entgegenkommen könne man den Vorschlägen des Ministeriums schon, so Nickel – allerdings in der Ursachenbekämpfung des Missbrauchs von Alkohol. Der Werbemarkt ist für die Wirtschaft vorerst unantastbar. Höchste Zeit für die Gesundheitsministerin, über ihren Konsenswunsch nachzudenken.
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