: Milosevic’ Geisel
Seit über einem Jahr sitzt die kosovo-albanische Ärztin, Schriftstellerin und Menschenrechtsaktivistin Flora Brovina in einem serbischen Gefängnis
Die Kinderärztin Flora Brovina ist eine von etwa 1.900 kosovo-albanischen Gefangenen in Serbien. Sie wurde während des Kosovokrieges vor ihrer Wohnung in Priština verhaftet und am 9. Dezember von einem Gericht in Nis wegen „terroristischer Aktivitäten gegen den Staat“ zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. Derzeit sitzt sie im Gefängnis von Pozarevac, dem Wohnort des jugoslawischen Präsidenten und angeklagten Kriegsverbrechers Slobodan Milošević.
Die Staatsanwaltschaft warf Brovina vor, Nahrungsmittel und Kleidung für die Kosovo-Befreiungsarmee (UÇK) gesammelt sowie 1992 und 1998 „feindliche Demonstrationen“ organisiert zu haben. Keinen der Vorwürfe akzeptierte Brovina und betonte, lediglich Hilfsmaßnahmen für Frauen und Kinder in den von Kämpfen betroffenen Gebieten des Kosovo organisiert zu haben. In ihrer Verteidigung betonte sie, dass ihr Handeln rein humanitär und nicht ethnisch bestimmt gewesen sei. Brovina hob hervor: „Wäre ich nicht Albanerin, ich hätte genauso gehandelt. Nicht nur albanische Frauen waren Mitglieder in unserer Organisation. Als Albanerin würde ich heute serbischen Flüchtlingen helfen.“ Ihr Rechtsanwalt Rajko Danilović vom Belgrader Fonds für Menschenrechte betonte, dass die Beweislage gegen Brovina dünn war: „Die Anklage stützt sich alleine auf ein Zertifikat und beschlagnahmte Gegenstände, darunter Strickwolle, Sanitätsmaterialien und Medizin, sowie ein Foto, auf dem sie neben einem Angehörigen der UÇK zu sehen ist.“
Schon 1988/89 verlor Brovina ihre Arbeit als Ärztin im Krankenhaus von Priština. Wie tausende andere ethnische Albaner wurde sie ein Opfer der Massenentlassungen, die erfolgten, als die Autonomie des Kosovos abgeschafft wurde. Daraufhin gründete sie mit anderen Aktivistinnen am 18. Dezember 1992 den Demokratischen Frauenbund des Kosovo. Diese Organisation war als Nichtregierungsorganisation unabhängig, unterstützte jedoch durch ihre soziale Tätigkeit auch die pazifistische Politik des kosovarischen Schattenstaatspräsidenten Rugova.
Neben ihrem Beruf und gesellschaftlichen Engagement arbeitete sie als Schriftstellerin und wurde als solche 1988 vom der amerikanischen Zeitschrift Marie Claire zur „Frau des Jahres“ gewählt. Brovina ist Ehrenmitglied von neun internationalen PEN-Zentren und veröffentlichte bislang vier Bücher.
Viele Schriftsteller sehen ihre Verhaftung als eine Reaktion auf ihre harsche Kritik der serbischen Unterdrückungspolitik im Kosovo, die sie in ihren Schriften problematisierte. FABIAN SCHMIDT
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen