: Der Trainer und die Politik
Wie der türkische Nationaltrainer Mustafa Denizli seit 1989, als er zum Coach der Alemannia berufen wurde, bis heute in der Aachener Kommunalpolitik nachwirkt
AACHEN taz ■ Die Türkei ist raus und damit Mustafa Denizlis Job als Nationaltrainer beendet. Ein anderer Job Denizlis ist weit nachhaltiger: September 1989 kam er, als erster türkischer Coach im deutschen Profifußball, nach Aachen, um den Zweitligaletzten Alemannia zu retten. Eingefädelt wurde der „Coup Marke 1001 Nacht“ vom Verwaltungsratsvorsitzenden des Clubs, dem SPD-Politiker Dr. Jürgen Linden. Aachen feierte den „Beckenbauer vom Bosporus“.
Im ersten Spiel gelang gleich ein 5:1 in Kassel. Tags darauf war Kommunalwahl im CDU-Erbhof Aachen. Hauchdünn und sensationell gewann Rot-Grün. Und Jürgen Linden, der Denizli-Kompagnon, wurde mit einer Stimme Mehrheit Oberbürgermeister. Nicht wenige führten den Umschwung auf den Coup zurück. Denizli kokettierte: „Ich bin nicht hier für Rot-Grün, sondern für Schwarz-Gelb.“ Bei deutsch-türkischen Fußballfesten regierte der Halbmond über dem Tivoli. Sieg folgte auf Sieg, der Coach küsste die Spieler einzeln vor dem Auflaufen, und einer erklärte, er würde nun „sogar Knoblauch essen“. Aachen erlebte „eine Art Revolution“, wie „Cannes und Hollywood zusammen“ empfand man Denizlis Auftritte. Die FAZ attestierte Rettungshoffnung „mit biblischen Zügen“. Doch nach vielen Intrigen und Niederlagen flog Denizli wieder raus. Alemannia stieg ab.
Seit 1999 hat Aachen politisch eine schwarz-gelbe Mehrheit. Nur: Der OB heißt, durch die neue Direktwahl in NRW, nach wie vor Jürgen Linden. Eine ähnliche Kontinuität hätte in der traditionell zerstrittenen türkischen Politik glücken können, mit dem Titel. Konnte Arif mit dieser Last beim Elfmeter nicht umgehen? MÜLL
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