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Nicht bloß Neinsager sein

In ihrem Papier zum Sozialstaat setzt die CDU auf mehr Eigenverantwortung. Der Staat solle sich auf „Kernbereiche“ beschränken. Doch schon jetzt macht sich die Parteiführung auf Widerstände gefasst

von NICOLE MASCHLER

Bei Amtsantritt hatte CDU-Chefin Angela Merkel versprochen, künftig Diskussionen zuzulassen, „deren Ergebnis am Anfang noch nicht feststeht“. Am Samstag lud sie zu einem Kongress nach Berlin, um über das vor wenigen Tagen vorgelegte Papier „Der faire Sozialstaat – eine neue Politik für eine neue Zeit“ zu diskutieren. Das Dokument, das eine Kommission unter Vorsitz von Parteivize Christian Wulff erarbeitet hat, soll eine neue Sozialpolitik einleiten: Mehr Entscheidungsfreiheit für die Bürger und stärkerer Wettbewerb.

Die CDU wolle nicht als bloße Neinsager-Partei dastehen, sondern echte Alternativen zur Regierung anbieten, hatte Merkel betont. In ihrem Papier wendet sich die Union ausdrücklich an diejenigen, die „den Wandel als Bedrohung wahrnehmen“. Sie versteht sich als Brückenbauer: Sie will die Modernisierungsverlierer einbinden und so der SPD Wähler abspenstig machen. Niemand solle auf dem Weg in die weltweiten Veränderungen verloren gehen, mahnte CDU-Parteivize Wulff am Samstag.

Doch ob dies mit dem vorliegenden Papier gelingt, ist fraglich: Den Beistand der Solidargemeinschaft will die Union künftig auf jene konzentrieren, „die die Hilfe wirklich brauchen“. Eigenverantwortung lautet das Stichwort. Am Rentenkonzept von Arbeitsminister Walter Riester ließ Merkel denn auch kein gutes Haar. Die gesetzliche Rente allein werde den Lebensstandard nicht mehr sichern. Für die private Vorsorge bräuchten die Menschen Planungssicherheit. Doch mit eigenen Vorschlägen hält sich die CDU zurück. Merkel betonte nur, dass Familien besser gefördert werden müssten.

Und so musste sich die CDU auf dem Kongress manch unliebsame Wahrheit anhören. Private Vorsorge könne sich nur leisten, wer keine wirtschaftlichen Probleme habe, mahnte Franz Ruland, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger. Warum nicht künftige Beamte und Selbstständige zur Kasse bitten, fragte Jörg Tremmel von der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen. Das ging den CDU-Sozialpolitikern dann doch zu weit – dadurch wäre kaum etwas gewonnen. Lieber verschossen sie ihr Pulver gegen die Regierung. Im Gesundheitswesen seien alle Versuche gescheitert, durch Budgetierung Kosten einzusparen, kritisierte Merkel. Künftig sollten nur noch so genannte Kernleistungen kollektiv finanziert werden. Die Wahlmöglichkeit für Versicherte müsse ausgebaut werden. Das Gesundheitswesen sei für Wettbewerb im klassischen Sinne nicht geeignet, warnte prompt Eckhard Weisner von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.

Im Arbeitsrecht will die CDU mehr Möglichkeiten für betriebliche Vereinbarungen schaffen. Tarifverträge sollten sich auf ihre „ursprünglichen Kernbereiche“ konzentrieren. Die Anreizstruktur des Sozialstaates müsse überprüft werden: „Wer arbeitet muss mehr haben, als wenn er nicht arbeitet.“ Zündstoff birgt auch die Forderung, bei entsprechenden Abfindungen auf Kündigungsschutz zu verzichten.

Die Sorge, alte Anhänger zu verprellen, ist groß. Immer wieder betonte CDU-Chefin Merkel, dass die Grundwerte nicht zur Diskussion stünden. „Wettbewerb und Solidarität“ – ein Spagat, den Merkel riskieren muss, will sie mit einer erneuerten CDU in den Wahlkampf gehen.

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