: Wenig Worte, viel Theater
■ Bremens Landesschultheatergruppen zeigen ihre jüngsten Produktionen
Mit 50 Leuten ließe sich ohne weiteres eine prächtige Massenschlägerei veranstalten. Selbst eine Demo zur Freilassung der noch inhaftierten RAF-Gefangenen wäre mit 50 Leuten heutzutage gut besucht. Aber kann man mit 50 Leuten auf der Bühne auch vernünftig Theater spielen?
Man kann. Und man muss dabei, wie die Inszenierung „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“ beweist, nicht einmal viele Worte dabei verlieren. Genau genommen passt der Text, den die 50 AkteurInnen der „Theaterwerkstatt Hochschule Bremen“ während ihrer 60-minütigen Inszenierung von sich geben, locker ins Handschuhfach eines Smart. Und trotz – oder vielleicht gerade wegen – fehlender Worte erzählt das von Holger Möller und Roland Huhs nach einer Vorlage von Peter Handke wunderbar inszenierte Stück nicht weniger als die Geschichte des letzten Jahrhunderts in schnell hintereinander montierten Bilderfolgen.
Tage, Jahreszeiten, Generationen und Epochen wechseln sich auf der Bühne im Minutentakt ab. Wähnte man sich eben noch mitten in den Arbeiterkämpfen der Weimarer Republik, so findet man sich kurz darauf auf einer missratenen Hochzeitsfeier im Nachkriegsdeutschland wieder. Ausgelasssene Sylvesterpartygäste treffen auf SED-Sympathisanten, Putzfrauen auf Drogis, hektische ManagerInnen auf geistesabwesende TräumerInnen. Alles passiert gleichzeitig, eine unendliche Ansammlung stummer Begegnungen auf einem imaginären Marktplatz.
Dass die erst im letzten Semester gegründete Theaterwerkstatt der Bremer Hochschule dieses Stück gewählt hat, war zunächst der Not geschuldet, entpuppt sich auf der Bühne aber als äußerst kluge Entscheidung. Mit so vielen Laien – neben Studierenden haben sich Kinder aus dem Bürgerzentrum Vahr und einige ältere Berufstätige in der Werkstatt zusammengefunden – ein ambitioniertes Sprechtheaterstück zu inszenieren, endet oft als bemühtes Unterfangen. Handkes stumme Vorlage aber erlaubt es, die Stärken einer Laiengruppe voll auszuspielen. Dank der Vielzahl der Rollen kann jedeR nach den eigenen Möglichkeiten eingesetzt werden.
Zu sehen ist das Stück am Freitag (20 Uhr) im Rahmen des Landesschultheatertreffens (LST). Das LST beginnt heute Abend und präsentiert bis Samstag einen Querschnitt der Theaterproduktionen an Bremens und Bremerhavens Schulen. 22 Gruppen, darunter auch eine Gastgruppe aus dem polnischen Wroclaw, zeigen ihre aktuellen Produktionen, darunter „Oliver Twist“, „Die Bürger von Calais“ oder „Das Geheimnis eines Sommers“. 350 SchülerInnen werden am Ende auf der Bühne des Schauspielhauses aufgetreten sein. Vor der Bühne, hofft LST-Mitorganisator Holger Möller, werden es entschieden mehr sein. zott
Das LST wird heute um 20 Uhr eröffnet. Von Donnerstag bis Samstag zeigen die Schultheatergruppen ihre Stücke. Nachmittags (16 Uhr) finden Stückbesprechungen statt. Kontakt Tel.: 365 33 33.
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