piwik no script img

Besondere Spezies

Alle schimpfen auf den Pitbull, weil der zubeißt. Dabei ist auch sein Herrchen ein Problem. Portrait einer allzu aggressiven Symbiose

Wir kennen sie, und wir treffen sie überall. Die Schultheiß-Büchse in der linken, die Hundeleine in der rechten Hand, die Haare fettig, die Tatoos ausladend, die Goldkettchen üppig, die Visage dämlich und im Schlepptau eine Frau, die sie „meine Alte“ nennen. Schon morgens riechen sie wie schlecht gespülte Bierfässer. Was sie selbst in ihrem Leben nie geschafft haben, bei anderen Menschen Respekt zu hinterlassen, dafür haben sie ihren Hund. Die Halter sind nicht selten vorbestraft, haben Beziehungen zum Milieu. Ihr Hunde sind hässlich, verhaltensgestört, haben Elefantenkiefer und können, wenn sie zubeißen, einen Menschen töten.

„Mein Charlie ist ein braver Kerl“, sagen die Halter gern, „aber wenn mal einer dumm kommt ...“ Dann lachen sie, und die Goldkettchen klimpern. Mit Vorliebe zerren solche Hundebesitzer zentnerschwer an der Leine und brüllen dem Hund zackige Kommandos zu. Das vermittelt ihnen ein angenehmes Gefühl von Stärke und Macht. Sie fühlen sich dann besser, wie der Dompteur, der die Bestie unter Kontrolle hat. Seit langem fordern Tierschützer und Stadtbewohner mit Restvernunft: Solche Leute gehören an die Leine. Man kann ihnen keinen beißwütigen Hund anvertrauen.

Die Hunde der Goldkettchenträger wurden gezielt auf Aggressivität gezüchtet. Vor allem (Pit)Bullterrier und Staffordshireterrier hat man für solche Experimente missbraucht. Derzeit gibt es etwa 10.000 Hunde dieser Rassen in der Bundesrepublik. Um sie als Kampfhunde abzurichten, wird vor Brutalität nicht zurückgeschreckt: Elektroschocks oder Aushungern gehören durchaus zum Repertoire. Sehr wirksam ist auch, den Welpen viel zu früh von der Mutter zu trennen und von seinem Wurf zu isolieren. Denn friedliches Sozialverhalten lernt nur der junge Hund, in seiner frühsten Prägephase.

Das hündische Aggressionspotenzial lässt sich bei jeder Rasse steigern. Die Würfe müssen nur einige Generationen lang gezielt „gepflegt“ werden, schon könnte selbst ein Pudel zum bissigen Monster werden. Andersherum: Auch beim Bullterrier gibt es ausgesprochene Kuscheltiere. Zuchtlinien in den USA haben aus den vermeintlichen Kampfmaschinen Schmusekätzchen gemacht. Was ein Kampfhund ist, lässt sich daher schwer definieren. Wenn der Staffordshire- oder Bullterrier verboten wird, hält die Goldkettchen-Fraktion eben Dobermänner. Wird der Dobermann untersagt, wechselt sie zum Rottweiler. Ist der nicht mehr erlaubt, kommen die Schäferhunde dran ...

MANFRED KRIENER

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen