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Frankreich kneift in Warschau

In Warschau diskutieren Vertreter von über 100 Staaten über Herausforderungen für die Demokratie. Der Abschlusserklärung verweigert Paris die Unterschrift

WARSCHAU taz ■ Mit der „Warschauer Erklärung“ von mehr als 100 Außenministern demokratischer Staaten sollte die Konferenz „Zu einer Gemeinschaft der Demokratien“ gestern ihren Abschluss finden. Doch im Vorfeld der Erklärung hatte es Kritik an der Einladungspraxis gegeben. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wies auf Staaten wie Tunesien, Ägypten, Peru, Kuweit und Jemen hin, die die Menschenrechtskonvention nicht einhielten und deren Regierungsparteien in Wahlen bis zu 99 Prozent erreichen würden. Diese Staaten könnten daher keine Demokratie-Erklärung mit unterschreiben. Für zweifelhaft hielt die Organisation auch, dass Russland bereits der Status einer „Demokratie im Werden“ zugebilligt werden könne. Das Land mache sich im Tschetschenienkrieg einer permanenten Verletzung der Menschenrechte schuldig.

Tatsächlich verweigerte gestern eine der ältesten Demokratien Europas ihre Unterschrift: Frankreich. Da sich die Politiker mit der „Warschauer Erklärung“ zu einem Aktionsprogramm verpflichteten, könne Frankreich nicht unterschreiben, hieß es. Die erste Welt-Demokratie-Konferenz sei für Paris nur der Beginn eines Meinungsaustausches. Dies sei kein Forum, wo Politik gemacht werden solle.

Polens Außenminister Bronislaw Geremek, Gastgeber und nur noch bis Ende des Monats im Amt, hatte gehofft, dass die Warschauer Demokratie-Erklärung die „ Durchsetzungskraft der KSZE-Schlussakte von Helsinki“ erreichen werde. Mit ihr waren vor 25 Jahren internationale Menschenrechte definiert worden. Im polnischen Parlament erklärte Geremek: „Ich komme aus einer Bewegung, die sich eines der edelsten menschlichen Gefühle zum Namen gewählt hatte: die Solidarität. Ihr will ich treu bleiben. Gereifte Demokratien sollen sich sowohl jenen Staaten gegenüber solidarisch zeigen, in denen es noch keine Freiheit gibt, als auch jenen, die unter großen Mühen eine Demokratie aufbauen.“

Vorbereitet hatte die Erklärung das zur gleichen Zeit ebenfalls in Warschau tagende „Weltforum über Demokratie“. Aus über 85 Ländern waren Nichtregierungs-Organisationen zusammengekommen, um sich über die Herausforderungen der Demokratie zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu verständigen. Ausgangspunkt dabei waren die Demokratiebewegungen in den ost- und mitteleuropäischen Staaten, die dort Ende der 80er-Jahre weitgehend unblutige Revolutionen initiiert hatten.

In der „Warschauer Erklärung“ heißt es unter anderem: „Die Herausforderungen, vor denen die Demokratien stehen, verlangen nach einem Bund demokratischer und offener Gesellschaften, in denen die Freiheit zum grundlegenden Wert geworden ist. Dieser Bund soll Demokratien über kulturelle, wirtschaftliche und historische Grenzen hinweg vereinigen. Mitglieder dürfen nur Staaten werden, die freie und geheime Wahlen gewährleisten, die Presse- und Versammlungsfreiheit garantieren und die Genfer Menschenrechtskonvention einhalten.“

Der Bund der Demokratien solle zwei Ziele verfolgen: Stärkung der Grundlagen für Freiheit und Demokratie in allen Staaten und Stärkung offener Zivilgesellschaften in aller Welt. Die Unterzeichner der „Warschauer Erklärung“ fordern die Einrichtung einer eigenen Kommission demokratischer Staaten innerhalb der Vereinten Nationen. Darüber hinaus erwarten sie künftig regelmäßige Treffen zwischen NGOs und Regierungsvertetern aller Demokratien.

GABRIELE LESSER

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