: Einen Gang hochgeschaltet
Stets stilbildend: Afrika Bambaataa glänzt als Ikone des HipHop ebenso wie als Elektro-Pionier ■ Von Nils Michaelis
Es ist ein alter musikjournalistischer Trick, einen zu beschreibenden Künstler mit dem Gewicht seiner geschichtlichen Bedeutsamkeit zu beschweren und so zu tun, als ob ohne das Talent und die Taten des Musikers XY für uns Heutige der aufrechte ästhetische Gang eigentlich undenkbar wäre. Auch wenn Musiker XY sich dann letztlich als doch nicht ganz so einflussreich, so überraschend neu herausstellt. Afrika Bambaataa wäre auch so ein Kandidat, nur in diesem Fall... nun... , also wer weiß schon, wo wir Heutigen stünden, wenn es ihn nicht gegeben hätte.
In Afrika Bambaataa begründen sich gleich mehrere Stränge bis heute maßgeblicher Musikstile: Da wären die Bedeutung, die Bambaataa als Schlüsselfigur der HipHop-Kultur einnimmt und die Platte Planet Rock, die am Kraftwerk-Sound orientiert Elektro und Techno skizzierte. Dabei war der 1960 geborene Lance Kahyan Aasim in erster Linie der Katalysator, der das, was in seiner Umgebung brodelte, zur Reaktion brachte und erst danach ein Plattenspieler mißhandelnder technischer Innovator.
Aufgewachsen in der New Yorker Bronx, stand er unter dem Eindruck der schwindenden politischen Hoffnung für Schwarze aus der Unterschicht, die einerseits mit dem Zerfall der Black Panther Party und andererseits mit der Ausbreitung harter Drogen im Getto einherging. Als Mitglied einer in der Arbeit innerhalb und mit der Community engagierten Jugendgang hatte er die vielfältigen Möglichkeiten der Selbstorganisation kennengelernt. Nach ihrem Vorbild gründete er die Zulu-Nation, eine Vereinigung, die Streetkids in ihrer Liebe zur Musik, speziell dem Funk, ansprach und organisierte. Seinen Alias-Namen übernahm er von einem Zulu-Anführer des 19. Jahrhunderts, für den sich Bambaataa begeisterte, seit er den britischen Film Zulu gesehen hatte. Und er meinte es ernst mit der Idee, dass in der Community Musik und Kultur entstehen sollte, um der grassierenden Desorientierung entgegen zu treten. So war Bambaataas Zulu Nation eher nach Art der Jugendgangs organisiert, als dass sie wie Sozialarbeiter auftraten. Ein basisdemokratischer Wettbewerb entstand so und mit ihm die Anfänge der Rapkultur. Als Organisator von Blockparties, die die jugendliche nachbarschaft immer wieder zusammenführte, brachte Afrika Bambaataa dann Talente wie Grandmaster Flash und DJ Jazzy Jay zusammen.
Nebenbei machte er selbst Musik. Sein Durchbruch als Künstler erfolgte 1982 zusammen mit der Gruppe Soul Sonic Force, mit der er die Platte Planet Rock produzierte. Diese LP war eine bis dahin ungehörte Mischung aus Kraftwerksound und der Gitarre eines Spaghettiwestern-Soundtracks. Bambaataa, der bereits als DJ den kalten, elektronischen Funk des Kraftwerkstückes „Trans-Europa-Express“ aufgegriffen hatte, um diesen mit Malcolm-X-Reden zu mischen, warf damit seiner videogameverliebten Umgebung einen futuristisch-eklektizistischen Brocken Musik hin. Und gewann. Der amerikanische HipHop-Historiker David Toop resümierte: „Mit Planet Rock wurde Dance-Music in einen höheren Gang geschaltet.“
Wir zehren noch heute davon.
So, 2. Juli, 21 Uhr, Fabrik
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