: „Heute ist die Zeit knapper“
■ Das Internat ist kaum eröffnet, schon kann die A-Jugend des HSV den ersten Titel gewinnen
Alles klappt noch nicht beim Hamburger Abschlusstraining am Mittwoch. 20 Pässe in Folge zu sechst im engen Quadrat gegen zwei Verteidiger – da springt der Ball schon gerne etwas zu früh über die Begrenzungslinien. Der Stimmung tut das keinen Abbruch; dass die Fußball-Saison für die A-Jugend des Hamburger SV überraschend lang dauert, stört keinen der Spieler: Schließlich haben die Nachwuchs-Rothosen heute die Chance, bei 1860 München den DFB-Jugend-kicker-Pokal zu gewinnen.
„Es wäre schön, wenn das, was die Bundesliga geschafft hat, nochmal fortgesetzt wird“, strebt Trainer Michael Schröder das Sahnehäubchen über einer erfolgreichen HSV-Saison an. Die Endspielteilnahme seiner Elf kommt allerdings recht unerwartet. Nach einer eher mäßigen Saison, die mit dem fünften Platz in der Regionalliga Nord endete, schlug das Schröder-Team in den Vorwochen im Pokal reihenweise Spitzenmannschaften. „Endlich bringen wir über mehrere Wochen konstant gute Leistungen“, freut sich der Coach. Schließlich habe man es „mit 16- bis 18-Jährigen zu tun, die noch stärkeren Schwankungen unterworfen sind als Profis“.
Stichwort Profis: Jugend-Trophäen für Norderstedter Vitrinen zu gewinnen, ist nicht die vorderste Aufgabe des Nachwuchses. Der Talentschuppen darf, ebenso wie die Amateur-Mannschaft, gerne in der Tabelle glänzen, hauptsächlich ist jedoch, neue Kräfte für die Bundesliga hervorbringen.
Das gerade aufgebaute Internat am Ochsenzoll ist der markanteste Ausdruck dieses Ziels. Wenn Schröder ein Vorbild an Jugendarbeit nennen soll, preist er das System von Ajax Amsterdam an – die Schule, durch die die halbe niederländische EM-Elf gegangen ist. „Die haben zehn Jahre gebraucht, um ihre Mannschaft aufzubauen“, gibt er jedoch zu bedenken: „Heute ist die Zeit knapper, man wird am schnellen Erfolg gemessen.“ Schröder ahnt: „Wenn in den nächsten zwei, drei Jahren aus unserem Internat keiner heraus kommt, wird es Kritik geben.“
Um so wichtiger ist es, die verschiedenen Mannschaften im Verein miteinander zu verzahnen. Spieler wie Halle, Hamurcu und Niedermeyer, die allesamt zum A-Jugend-Kader zählen, kamen bereits bei der Ligamannschaft zum Einsatz. Seit der Rückrunde spielten mit Stephan Rahn und Matthias Holst auch zwei A-Jugendliche aus dem jüngeren Jahrgang fürs Amateur-Team in der Regionalliga. Anfangs noch in einem Akt juvenilen Widerstands: Der DFB erlaubte nur den Einsatz A-Jugendlicher aus dem älteren Jahrgang, ist aber inzwischen von dieser schwer begründbaren Altersbegrenzung abgerückt.
Auch die privat installierte Nachwuchsrunde sieht Schröder als geeigneten Weg. „So habe ich damals auch den Sprung zu den Profis geschafft“, erinnert sich der heutige Inhaber der A-Trainer-Lizenz. 1986 verließ der HSV-Spieler, der beim tus Berne seine ersten Buffer schnürte, den Verein in Richtung VfB Stuttgart. Im Folgejahr gewannen die Rothosen mit dem DFB-Pokal ihren bislang letzten Titel, sieht man von einem Sieg beim sportlich bedeutungslosen Hallen-Masters ab.
Da kann, bei allem Vorrang der Profi-Ausbildung, ein neuer Titel für den Briefkopf nicht schaden. Zwar nehmen am DFB-Jugend-kicker-Pokal die acht Mannschaften, die gleichzeitig um die deutsche Meisterschaft spielen, nicht Teil. Doch der HSV ist der erste Hamburger Verein, der im Jugendbereich überhaupt ein DFB-Endspiel erreicht hat.
Nun soll der Ausflug nach München auch mit dem Titel gekrönt werden. Nach dem Auspacken der Reisetaschen wurde gestern in der Isarmetropole noch einmal trainiert. 1860 München, nur knapp an der Meisterschafts-Endrunde gescheitert, fällt fürs Finale die Favoritenrolle zu. Schröder stört das wenig: „Wir werden nicht davon abweichen, offensiven Fußball zu präsentieren.“ Denn damit schaltete der HSV, auch dort Außenseiter, im Viertel- und Halbfinale bereits Serienmeister Borussia Dortmund (4:3 n.V.) und den 1. FC Köln (4:0) aus. Folke Havekost
Endspiel um den DFB-Jugend-kicker-Pokal: TSV München 1860 – Hamburger SV, heute, 16.30 Uhr, Sportzentrum Vaterstetten in München
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