Bauchiger Betonbau – oder: Die Rettung durch Dübel

„Topographie des Terrors“: Bausenator Peter Strieder lud den Architekten Peter Zumthor zum Disput um das immer teurer werdende Stabgeflecht

Es hatte etwas von einem Show-down – der Vortragssaal im Deutschen Architekturzentrum in Kreuzberg platzte aus allen Nähten. Gegeben wurde eine Neu-Inszenierung des Berliner Endlos-Stücks „Kostenexplosion bei der ‚Topographie des Terrors‘ “ – und dieses Mal sollten die Protagonisten öffentlich miteinander reden, obwohl Bausenator Peter Strieder (SPD) und „Topographie“-Architekt Peter Zumthor das angeblich gar nicht mehr können.

Der Schweizer Baukünstler hatte sich vorher beim Besuch der zu bebauenden Brache an der Kreuzberger Wilhelmstraße mit Senatsbaudirektor Hans Stimmann mehr als heftig auseinander gesetzt – manche sagen, es wurde geschrien. Thema: Wer hat Schuld an der Kostenexplosion für das Betongeflecht, das an der Stelle entstehen soll, wo in der Nazizeit die SS- und Gestapo-Zentrale stand? Und wie kann man verhindern, dass die Kosten für den ambitionierten Bau tatsächlich von ursprünglich geplanten 45 Millionen auf über 70 Millionen Mark steigen?

Die Nerven liegen blank. Das konnte jeder erleben, der den Weg zur Diskussionsrunde zum Thema „Topographie des Terrors. Das Meisterwerk als Kostenfalle?“ fand. Zwar sagte Stimman als Moderator anfangs, es gehe nicht darum, „die wunderbare Architektur in Frage zu stellen“, doch Strieder, der als Veranstalter das erste Wort hatte, holzte sofort los. Der politische Wille des Senats, der Gedenkstätte ein Heim zu geben, sei „unzweifelhaft“. Zumthor habe ein „einfaches Projekt“ versprochen und laut Architektenvertrag zugesichert, dass die geplanten Kosten von 45 Millionen Mark „nicht überschritten werden dürfen“. Seien denn 25 Millionen Mark irrelevant, wenn man gleichzeitig für die dringend nötige Renovierung städtischer Schulen insgesamt nur 100 Millionen Mark habe: „Wer übernimmt welche Verantwortung?“, fragte er.

Zumthor nahm den Fehdehandschuh nicht auf, sondern verteidigte in einem Diavortrag sein Projekt – samt der ausdrücklichen Bitte: „Hoffentlich reden wir danach wieder über Architektur.“ Er pries die frei stehenden „Erschließungstürme“ in der geplanten Riesen-Schachtel. So lange er dieses Projekt mache, würden diese nichts tragen, betonte er. Und schnitt damit einer Einsparmöglichkeit den Weg ab. Leicht beleidigt zeigte Zumthor sich, als Stimmann ihn drängte, schneller zu machen – ob er noch diese Bilder zeigen dürfe, fragte der Starachitekt gereizt.

Dann stellten ein die Senatsverwaltung beratender Ingenieur, Gert König (Leipzig), und der Stuttgarter Tragwerksexperte Jörg Schlaich die Schwierigkeiten bei der Konstruktion des Gebäudes vor – und wie es womöglich billiger zu bauen wäre. König mahnte, das Verspannen der mehreren hundert Betonstäbe zu einem Gebäude könnte dazu führen, dass es „bauchig“ werde. Schlaich schlug vor, die Stäbe durch Dübel miteinander zu verbinden. Das könnte eine Kostenersparnis von sieben Millionen Mark bringen. Der Architekturkritiker Martin Kieren stellte die Frage, ob man dem „Wesen“ des Baus nicht auch mit einem anderen Material als Beton gerecht werden könne.

Doch Zumthor bewegte sich keinen Millimeter. Holz? Da gebe es Probleme mit dem Brandschutz. Dübel? „Etwas bieder“ – eher nicht. Und die Türme? Die müssten auf jeden Fall frei im Gebäude stehen bleiben – schließlich frage man ja auch keinen Autor, ob er seinen Roman auch anders hätte schreiben können. Er werde „keine falschen Kompromisse“ machen, versprach Zumthor noch. Stimmann sah darin schon ein Zeichen der Hoffnung: Für Zumthor sei das schon viel, sagte er bissig. Bisher habe der Architekt nämlich stets nur eines gesagt: Es werde gar keine Kompromisse geben. PHILIPP GESSLER