: Finanzoasen schützen USA
6.000 US-Unternehmen sparen mindestens vier Milliarden Dollar Steuern in der Karibik. US-Regierung widersetzt sich den Bemühungen, die Steuerparadiese auszutrocknen
KÖLN taz ■ Die USA wollen nicht nur ihr Raketenabwehrsystem zu einem nationalen Schutzschild ausbauen. Auch für ihre großen Exportfirmen basteln die USA an der Ausweitung eines Schutzschildes. Er besteht aus einem Kranz von Finanzoasen, die vor allem in der Karibik liegen.
Im Februar 2000 hatte sich die Berufungsinstanz der Welthandelsorganisation (WTO) zum wiederholten Male mit dem Problem befasst. Die EU hatte gegen die Steuerrabatte geklagt, die von den USA für die Exporte von US-Firmen mit Hilfe von karibischen Briefkastenfirmen gewährt werden. Dies sei eine Wettbewerbsverzerrung. Die WTO gab der Klage statt und erklärte die US-Praxis als Verstoß gegen die Regeln des freien Welthandels. Die US-Regierung wurde aufgefordert, ihre Gesetzgebung bis Oktober 2000 zu ändern.
Nach dem Foreign Sales Corporations Act (FSC) können US-Unternehmen ihre Exporte über Briefkastenfirmen auf den Cayman Islands, den Virgin Islands, auf Bermuda, Puerto Rico, Barbados, Guam und einigen anderen abwickeln. Dies bringt den Unternehmen eine Verringerung der Gewinnbesteuerung um 65 Prozent sowie eine vollständige Steuerbefreiung für die an das Mutterunternehmen überwiesenen Dividendenzahlungen. Von der FSC-Regelung profitieren etwa 6.000 US-Unternehmen, darunter die großen Exporteure wie Microsoft, Boeing, Ford, Chrysler und Monsanto. Nach Erkenntnissen der EU wird die Hälfte aller US-Exporte im Umfang von gegenwärtig 125 Milliarden Dollar jährlich auf diese Weise begünstigt. Im US-Bundeshaushalt 2001 sind dafür indirekte Subventionen von 4,1 Milliarden Dollar vorgesehen.
Der Konflikt liegt lange zurück. Die karibischen Finanzoasen gehören seit dem Zweiten Weltkrieg zum US-amerikanischen Finanz- und Wirtschaftssystem. Bereits 1971 hatte die Europäische Kommission gegen die indirekte Exportsubvention geklagt. Daraufhin hatte die US-Regierung 1976 das bis dahin gültige Gesetz Domestic International Sales Corporation Scheme (DISC) durch die FSC-Regelung ersetzt. Bereits zweimal hat die WTO das FSC-Gesetz als unvereinbar mit den Gesetzen des freien Welthandels erklärt.
Aufgrund des WTO-Urteils vom Februar 2000 hat die US-Regierung inzwischen erneut Änderungen zugesagt. Sie stellen für EU-Kommissar Pascal Lamy jedoch nur kosmetische Änderungen dar, in mancher Hinsicht sogar eine Ausweitung. Denn der von US-Staatssekretär Stuart Eiszenstat vorgelegte Änderungsentwurf will die Steuervergünstigungen beibehalten.
Jede Regierung in Washington hätte alle multinationalen US-Unternehmen gegen sich, wenn sie den Schutzschild der karibischen Finanzoasen abbauen wollte. Deshalb sieht der Eizenstat-Vorschlag vor, ihn auszuweiten. Die Steuervergünstigungen sollen künftig nicht nur für Exportgewinne, sondern für alle im Ausland erzielten Einkünfte gewährt werden – und auch für Niederlassungen von US-Firmen in Europa und weltweit gelten.
Während die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mittlerweile 35 Steueroasen weltweit austrocknen will, wurde das Problem beim EU-USA-Gipfel in Lissabon Ende Mai weitgehend ausgespart. Nun soll es auf einer WTO-Verhandlungsrunde noch in diesem Jahr behandelt werden. Eine Einigung ist jedoch noch weniger in Aussicht als bei den bekannteren „Handelskriegen“ zwischen der EU und den USA. Sie betreffen die lateinamerikanischen „Dollarbananen“ der großen US-Agrarunternehmen und das hormonbehandelte US-Rindfleisch. Angesichts des drohenden Endes ihres Wirtschaftsbooms will die US-Regierung alle bisherigen Wettbewerbsvorteile nicht nur beibehalten, sondern ausweiten.
WERNER RÜGEMER
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