Kino-Attacke gegen Imagecity

Ein kurzer Film für FreundInnen der permanenten Revolution  ■ Von Christiane Müller-Lobeck

Dreharbeiten in der Innenstadt. Sie sind schön vorher angemeldet und von den Wächtern über die Rechtmäßigkeit allen Verhaltens in der Stadt genehmigt worden. Der Film-Jaguar steht ordnungsgemäß geparkt in der Mönckebergstraße, vor dem Karstadt-Gebäude. Seine bunte Bemalung und ein Benzinkanister auf der Karosserie allerdings gehen dem Besitzer eines anliegenden Geschäfts zu weit, er fürchtet eine Autobombe und ruft umgehend die 110. Nun könnte man meinen, zwei freundliche Verkehrsbeamte kümmern sich um den Fall, doch nein: Gleich eine Hundertschaft riegelt hektisch die Straße ab. Die Kamera ist nicht ans Drehbuch genagelt und filmt vom Kaufhausdach aus das Stellungsspiel der Polizei.

Außendienst heißt ein von Kulturbehörde und Kunstverein getragenes Projekt für Kunst im öffentlichen Raum, das von heute an bis Ende September einiges Unmögliche in den Straßen Hamburgs zur Ansicht bringen wird. Hätte es vor den Dreharbeiten begonnen, wer weiß, vielleicht wäre der Ladenbesitzer durch Ausstellungswerbung gewarnt gewesen oder hätte gar den Benzinkanister unweit seiner Eingangstür als nützliches Dekor der Erlebnismeile Mönckebergstraße betrachtet.

Dieser Blick hat sich ihm aber nicht geöffnet, und der unter anderem dort entstandene Film Revolution Non Stop wird über die Dauer und als Teil von Außendienst täglich im Metropolis hartnäckig an dem nagen, was „Öffentliche Ordnung“ und „Innere Sicherheit“ heißt.

Der Künstler Christoph Schäfer, zuletzt einer von zwei Machern der Bar Tele 5, versuchte mit seiner ausnahmslos aus Hamburger Subkulturprominenz zusammengesetzten Crew schon während des Drehs, die Innenstadt anderen Regeln zu unterwerfen. Sachen, die eher an der Peripherie stattfinden, ausgegrenzt oder kriminalisiert werden, sollten, so das Konzept, gefeiert und im Zentrum behauptet werden.

Die sogenannte Aufwertung der Innenstädte, auf dass Einkaufen nicht als schnöder Austausch von Waren und Geld, sondern als solcher von kulturellen Gütern empfunden wird, gehört bekannlich seit einigen Jahren zur Imagestrategie der Großstädte. Die sind vom Rückgang industrieller Produktion betroffen, und die dazugehörigen Produktionsverhältnisse werden Postfordismus genannt. Darin will der Film Störfaktor sein, und man fragt sich, warum sein Untertitel „Ein Spiel mit den Resten der Überproduktion in den zukünftigen Ruinen des Fordismus“ heißt, denn letzterer hat ja schon längst seine gespenstischen Landschaften hinterlassen.

Aber zuallererst ist Revolution Non Stop eben ein Spiel, das die Selbstverständlichkeiten des Alltags in Permanenz unterläuft. Die Bilder sind von opulentem Trash, unterstützt wird das Ganze durch Musik von Ted Gaier, Julius Block und Melissa Logan, und das Beste: Jedes Detail des Sets ist einer Umgestaltung unterzogen worden. So steht auf den Zigarettenschachteln „Profit“, „Diziplin“ oder „Deadline“, auf Flaschenlabels ist zu lesen „Eigentum ist Diebstahl“, „Befreit die Leidenschaft, arbeitet nie“. Ob diese in der Mitte des 20. Jahrhunderts von den Situationisten entworfene Strategie der Zweckentfremdung von Werbung über den Gag hinaus greift, wenn schon im Ernst Zigarettenpackungen mit „Killer“ beschriftet sind, muss man ausprobieren.

Revolution Non Stop wird getreu seinem Titel täglich zwischen 12 und 17 Uhr in einer Endlosschleife laufen. Das werden die ZuschauerInnen brauchen bei Sätzen wie „Das Gewesene soll zum dialektischen Umschlag, zum Einfall des erwachten Bewusstseins werden.“ Der Dialog zwischen einem „elenden Studenten“ und einer „elenden Studentin“ bringt es im Film selbst auf den Punkt: „Hast du das verstanden?“ – „Ich glaube nicht, das der das wirklich meint, das kann doch nur eine Parodie auf Agitprop sein.“ – „...vor allem kann man doch in einer spektakulären Gesellschaft, in der sich alles in Bilder verwandelt hat, mit einem Film nicht durchkommen...“ – „...zumal mit einem, den sich sowieso niemand anschaut...“ – Eine der Hauptdarstellerinnen: „Könnt ihr mal die Klappe halten?!“ Wer sich das nicht ansieht, kann nicht nur nicht mitreden in der Kneipe, was nicht so schlimm wäre, sondern hat auch – viel schlimmer – verpasst auszuchecken, was so drin ist im Kampf gegen Bilder mit Bildern.

Premiere mit fast allen Mitwirkenden heute, 20 Uhr, danach täglich von 12 bis 17 Uhr, Metropolis, Eintritt frei