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„Hier kommt ihr nicht heil raus“

Spontaner Widerstand gegen NPD-Infostand in Altona. Nazis verprügelt und mit Obst beworfen, Pamphlete angezündet  ■ Von Andreas Speit

„Jetzt kommen die schon nach Altona“, beklagte am Samstagsvormittag eine ältere Frau. Zur bes-ten Einkaufszeit hatte die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) und ihre Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) einen Informationsstand in der Großen Bergstraße angemeldet. Doch die 15 Neonazis blieben nicht lange.

Kaum hatten sie begonnen, Flugschriften gegen „Balkanisierung“ und „Überfremdung“ auf dem Goetheplatz zu verteilen, warfen etwa zehn Jugendliche den Infotisch um. Unter Polizeischutz bauten die Mitglieder der ältesten neofaschistischen Partei ihren Stand zunächst wieder auf. Nach und nach blieben aber immer mehr Einkufende mit Tüten und jugendliche Immigranten stehen, auch autonome AntifaschistInnen kamen dazu, so dass sich an die 150 Menschen spontan versammelten.

„Nazis raus“ schallte es auf dem Platz, und als Eier, Kartoffeln und Tomaten flogen: „Dreck zu Dreck“. Die überwiegend jugendlichen Neonazis suchten hinter ihrem Stand und dem Sonnenschirm Deckung. Als eine Immigrantin eine junge Nazi-Frau anschrie, „wir haben Solingen nicht vergessen. Hier kommt ihr nicht heil heraus“, fing diese an zu weinen.

Etliche Demonstranten drängten die Beamten beiseite und schlugen auf die NPDler und JNler ein. Nur durch den Einsatz von Schlagstö-cken und Hunden konnte die Polizei die Neonazis schützen. Allerdings war der Infotisch abgeräumt und zerstört. Mehrere Gegendemonstranten und ein Polizeibeamter wurden dabei leicht verletzt.

Auf Anraten der Polizei brachen daraufhin die Neonazis ihre Veranstaltung ab. Als sie versuchten, zu ihrem VW-Bus zu gelangen, wurden sie erneut angegriffen. Gegendemonstranten warfen mit Obst und Gemüse, einige beschädigten Scheiben und Reifen des Fahrzeugs. Vier Neonazis, die den Bus nicht mehr erreichten, flohen in das Postgebäude. Erst als die Polizei einen Wagen zur Verfügung stellte, konnten sie ihren Kameraden folgen, die an der Polizeiwache Mörkenstraße warteten. Währendessen zündeten Demonstraten auf dem Platz die liegengebliebenen NPD-Pamphlete an.

„Das haben wir nicht erwartet“, meinte ein Polizeibeamter vor Ort. Elf Gegendemonstranten, denen Landfriedensbruch, Sachbeschädigung und Gefangenenbefreiung vorgeworfen wird, wurden vorläufig festgenommen.

Die NPD beschwerte sich gestern in einer Pressemitteilung darüber, dass „Narrenfreiheit genießender Abschaum“ von der Polizei nicht daran gehindert worden sei, „in einem bestialischen Mord- und Vernichtungsrausch auf die jungen Nationalisten einzuschlagen“.

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