piwik no script img

Polizei riegelt Schönefeld ab

Hunderte demonstrieren gegen Deutschlands zweitgrößten Abschiebeflughafen. Massiver Polizeieinsatz verhindert Blockade des Flugbetriebes, den autonome Gruppen angekündigt hatten

von DIETMAR KAMMERER

Gegen Abschiebungen haben am Samstag rund siebenhundert Menschen am Flughafen Schönefeld demonstriert. Aufgerufen hatte das Bündnis „Shut down deportation airport“ aus Flüchtlingshilfe- und Menschenrechtsgruppen. In mehreren Demonstrationszügen gelangten die Teilnehmer zu Fuß, im Auto oder mit dem Fahrrad zum Kundgebungsort. Dabei kam es zu erheblichen Behinderungen beim Zugangsverkehr zum Flughafen. Wegen einer Kundgebung blieb die Bundesstraße 96 a über eine Stunde in eine Fahrtrichtung gesperrt.

Obwohl sich die Veranstalter um einen Versammlungsort in der Nähe des Flughafeneingangs bemüht hatten, hatte die Polizei ihnen einen Ort weitab des Flughafengeländes zugewiesen. Mehrere Male konnten Demonstranten dennoch die Zufahrtsstraße zum Flughafen blockieren. Mit einem massiven Aufgebot verhinderte die Polizei jedoch, dass der Flughafen, wie autonome Gruppen im Vorfeld angekündigt hatten, vollständig lahm gelegt wurde. Für den Einsatz holte sich die Brandenburger Polizei Unterstützung von Kollegen aus Berlin, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und vom Bundesgrenzschutz.

Das „Komitee für Grundrechte und Demokratie“, das als Demonstrationsbeobachter teilnahm, kritisierte einen „unverhältnismäßigen Gewalteinsatz“ und „Willkür im polizeilichen Vorgehen“. Durch die Privatisierung öffentlichen Raumes werde zunehmend das Grundrecht der Versammlungsfreiheit ausgehöhlt. Nach eigenen Angaben sprach die Polizei etwa 230 Platzverweise aus, sechs Personen wurden wegen Nichtbefolgung vorübergehend in Gewahrsam genommen.

In ihren Redebeiträgen kritisierten Teilnehmer auf der Kundgebung die Abschiebepraxis der Bundesregierung. Ein Vertreter der afrikanischen Selbsthilfeorganisation „The Voice“ kritisierte, dass 20 Menschen seit der Änderung der Asylgesetzgebung im Oktober 1993 beim Versuch der Abschiebung gestorben seien. Flüchtlinge, deren Leben in ihrer Heimat bedroht sei, würden vom deutschen Staat kriminalisiert. An den Protesten nahmen auch eine Gruppe von „Flugbegleiterinnen gegen Abschiebung“ teil.

Der Flughafen Schönefeld ist nach Frankfurt/Main der zweitgrößte Abschiebeflughafen Deutschlands. 1999 wurden von dort aus etwa 6.300 abgelehnte Asylbewerber vor allem in osteuropäische Länder zurückgeflogen. Auch die an den Abschiebungen beteiligten Fluggesellschaften sind unter öffentlichen Druck geraten. Auf der Jahreshauptversammlung der Lufthansa kam es vor zwei Wochen zu Störaktionen und Protesten von Abschiebegegnern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen