piwik no script img

Entführung auf Jolo?

Rebellen auf den Philippinen verschleppen offenbar einen „Spiegel“-Korrespondenten. Die Regierung setzt den Kontakt zu den Kidnappern aus

JOLO/HAMBURG afp ■ Muslimische Rebellen auf der philippinischen Insel Jolo haben gestern offenbar einen weiteren Deutschen entführt. Nach Angaben der Polizei kidnappten bewaffnete Männer, die vermutlich der Rebellengruppe Abu Sayyaf angehören, den Spiegel-Korrespondenten Andreas Lorenz.

Der Journalist habe eine Kontaktperson in einem Dorf in der Nähe der Stadt Jolo treffen wollen, als er von Unbekannten entführt worden sei, sagte ein Polizeisprecher. Der philippinische Fahrer des Deutschen berichtete, sie seien mit Pistolen bedroht worden. Die Kidnapper hätten ihn selbst dann zurückgeschickt.

Für Lorenz ist es die zweite Entführung innerhalb eines Monats. Er gehörte Anfang Juni zu der Journalistengruppe, die sich bis zur Zahlung von umgerechnet rund 50.000 Mark Lösegeld für kurze Zeit in der Gewalt der Abu-Sayyaf-Rebellen befand. Die Zentrale des Spiegel in Hamburg konnte die Entführung auf Nachfrage zunächst nicht bestätigen. Der Leiter der Auslandsredaktion, Olaf Ihlau, zeigte sich aber besorgt, weil sich Lorenz nicht wie abgesprochen am Sonntagmittag per Satellitentelefon in der Hamburger Redaktion gemeldet hatte. Dies spreche dafür, dass die Meldungen über eine Entführung richtig seien. Lorenz wollte sich nach Angaben Ihlaus mit einem Kontaktmann treffen, der ihm Tonband-Kassetten von den Geiseln in Aussicht gestellt habe.

Der Polizeichef von Jolo, Candido Casimiro, leitete nach eigenen Angaben eine Suche nach den Entführern von Lorenz ein. Die Polizeistreife sei jedoch nach Einbruch der Dunkelheit mit leeren Händen zurückgekehrt. Casimiro nahm an, dass Lorenz von Abu-Sayyaf-Rebellen in der Nähe von Patikul, nordöstlich der Stadt Jolo, entführt wurde. Eine Lösegeldforderung für den Deutschen sei bislang nicht bekannt.

Seit Samstag befinden sich allem Anschein nach auch ein christlicher TV-Prediger und zwölf seiner Gefolgsleute in der Gewalt der Rebellen. Rebellenführer Galib Andang teilte mit, der philippinische TV-Prediger Wilde Almeda und seine zwölf Gefolgsleute hätten „darum gebeten, mit den Geiseln im Lager bleiben zu dürfen“. Sie wollten 40 Tage mit den Geiseln fasten.

Die deutsche Geisel Renate Wallert beklagte in einem Brief, den eine philippinische Tageszeitung am Wochenende veröffentlichte, den schlechten Zustand der zehn westlichen Entführten.

Die Unterhändler der philippinischen Regierung setzten nach Angaben von Vertretern vor Ort gestern die Kontakte zu den Rebellen aus. Provinzgouverneur Abduskur Tan ordnete an, dass seine Kundschafter auf Jolo wegen der neuen Ereignisse jeglichen Kontakt mit der Abu Sayyaf beenden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen