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Fishbone ist endlich auf dem Mutterschiff des Funk angekommen. Heute Abend spielen sie im ColumbiaFritz

Glücklicherweise gibt es Dinge, an die man sich halten kann. Eine dieser unverrückbaren Weisheiten: Dieses Leben ist nicht gerecht. Und das Musikbusiness schon gleich gar nicht. Unser heutiges Fallbeispiel: Fishbone. Nicht nur, dass es mittlerweile eine Teenie-Klamottenlinie gleichen Namens gibt, die ungleich bekannter ist: Während Ende der 90er-Jahre das erste Mal seit Madness und Specials wieder Ska den Weg in die Charts fand, suchte die Band, die No Doubt oder die Mighty Mighty Bosstones als prägenden Einfluss angeben, vergeblich nach einem Plattenvertrag.

Desinteresse waren Fishbone schon lange gewohnt. Vor 21 Jahren gründeten sie sich auf der High School in Los Angeles, die ersten Sessions fanden im Kinderzimmer von Bassist Norwood Fisher mit Töpfen und Pfannen statt. Seitdem kämpfen sie um die Anerkennung, die ihnen gebührt. Als erste bastelten sie am Crossover, doch während befreundete Kollegen wie die Red Hot Chili Peppers sich mit der Fusion von Funk und Metal begnügten, warfen Fishbone zusätzlich Ska, HipHop, Soul und Reggae in ihren gemeingefährlichen Stilmischmasch. Und als die Chili Peppers reich und weltberühmt wurden, spielten Fishbone trotz des kleinen Hits „Party at Ground Zero“ immer noch vor den gleichen dreihundert Menschen.

Manch einer wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Hautfarbe eines Fishbone-Mitglieds wesentlich dunkler ist als die eines Chili Peppers. Aber jenseits von sicherlich immer noch vorhandenen rassistischen Mechanismen gab es auch ganz schlichte musikalische Gründe: Kompromisse waren ihre Sache nie. In ihren Texte sparen sie nicht mit expliziten Lyrics, sie propagierten das Verrücktsein als Lebensperspektive, und sie wurden logischerweise von den in den USA maßgebenden Supermarktketten aus den Regalen verbannt. Und all die Jahre war ihre Musik zu sperrig, um jemals im Radio zu laufen.

Vier Jahre lang hatte man nicht mehr von ihnen gehört, bis sie schließlich ihr aktuelles Album „The Familyhood Nextperience Presents: The Psychotic Friends Nuttwerx“ veröffentlichen konnten. Und das ist für Fishbone-Verhältnisse unglaublich eingängig geraten: Mit Schmuse-Funk und Wohlfühl-Reggae und unter der Mithilfe der Funk-Legende Rick James, Perry Farrell (Porno for Pyros, Jane’s Addiction), drei Vierteln von den Chili Peppers oder Gwen Stefani von No Doubt scheinen sie eine entspannte Sommerfrische beschallen zu wollen. Die hysterischen Bläser, die Heavy-Metal-Gitarren und die hektischen Hardcore-Breaks gibt es nur noch in homöopathischen Dosierungen, wie als Ahnung der Drohung, dass sie auch anders könnten, wenn sie nur wollten.

So schließt sich der Kreis: Dass der ebenfalls auf der Platte vertretene George Clinton immer eines ihrer größten Vorbilder war, hat man ihnen 20 Jahre lang nur in Ausnahmefällen angehört. Bis jetzt. Nun scheinen sie endlich angekommen auf dem Mutterschiff, das vom Godfather of P-Funk durchs unendliche All gesteuert wird. THOMAS WINKLER

Heute, 20.30 Uhr, ColumbiaFritz, Columbiadamm 9–11