: Mensch Hund! Apport!
DAS SCHLAGLOCHvon FRIEDRICH KÜPPERSBUSCH
„Hunde, wollt ihr ewig leben?“ Fritz Wöss 1958
Alybrax van Hümmels verfügt über ein vollzahniges Scherengebiss, eine Spermatogramm mit vorzüglicher Auswertung und gewährt „Deckakte, wenn die Hündin leer bleibt: bis zum Erfolg“. Klingt wie Jürgen Drews, ist aber Staffordshire Bullterrier und eine der Top-Adressen im Netz, sucht man den geeigneten Deckrüden für einen Wurf possierlicher Bullies. Der Verband für das deutsche Hundewesen (VDH), unter dessen Dach auch Alybrax seinen unermüdlichen Fortpflanzungswillen feilhält, bestreitet zwar, Kampfhundzucht zu dulden. Doch ein paar Pages weiter vorne präsentiert der Zuchtverband den amtlichen „Rassestandard“: „Der Bull Terrier ist der Gladiator unter den Hunderassen, voll Feuer und tapfer.“ Dort empfohlene Zuchtzwinger heißen „The Warrior“, „Mc Kilroy’s“ und „Dog Soldiers“.
Bei Fuß! Brav. Hunde sind süß, ein Wurf Welpen eine mauzende, tapsig-blinde Naturschule für die Kinder. Und der gutmütige Vierbeiner erdet sein Herrchen, je entfremdeter es durch die Restnatur stapft. Jagd- und Wachhunde mögen die ursprünglichsten sein. Vor rund 10.000 Jahren begann der Mensch, sich Hyänen und Wölfe untertan zu machen, als Jagdgehilfen und Herdenbewacher. Unnatürlich sind Hunde also von vornherein; eine artgerechte Haltung wäre stets eine in Abhängigkeit zum Menschen. Einen Hund in die Natur zu entlassen, hieße: ihn zu töten. Er kann sich selbständig nicht ernähren; das unterscheidet ihn von den weniger umfassend domestizierten Katzen.
Vorstehhunde – sie schmeicheln dem menschlichen Auge mit Anmut und der Seele mit freundlichem Wesen – spüren Fährten auf, um unverwandt im Lauf zu verharren – eben: vorzustehen. So weisen sie dem Jäger die Richtung des lohnenden Schusses. Toll Dogs spielen taumelnd am Uferrand, um Enten in Reichweite der Flinte zu locken. Teckel wagen sich in unterirdische Röhren und Bauten; Fuchshunde jagen den entfernten Verwandten wider alle natürlichen Hemmungen. Und fällt dem Waidmann, dem Schäfer oder dem Schönheitszüchter noch ein wünschenswertes Rassemerkmal ein, trennen ihn oft nur ein paar Zuchtgenerationen vom gewünschten Ergebnis. Hundezucht ist verdichteter Darwinismus: Ein unerwünschtes Merkmal wird zum „zuchtausschließenden Mangel“ erklärt, Elterntiere mit erwünschten Eigenschaften bevorzugt gekreuzt, bei kleinen Rassen durchaus auch der Enkel mit der Oma.
Erfolgreiche Bullterrier-Züchter gehen diesbezüglich offenbar auf Nummer sicher; neben der zielbewussten Deckrüdenauswahl wartet die aktuelle „Wurfanzeigen-page“ mit dem dezenten Hinweis auf, wie viel Welpen bei der Hündin „belassen“ wurden. Aus Würfen mit fünf bis acht Welpen werden drei bis vier „belassen“. Bis hier das Tierschutzgesetz eingriff, war es bei manchen Rassen schlicht Vorschrift, „schwächere“ Welpen gleich nach der Geburt zu töten. Wer hier mittut, kann sich moralisch dem Vorschlag kaum widersetzen, einen ausgewachsenen Totbeißer an die nächste Laterne zu hängen. Der Code für diesbezüglich verheißungsvolle Viecher heißt „Welpen von besonders selbstbewussten Elterntieren abzugeben“ und steht wochenends unter Tiermarkt im Regionalblatt. Kripo, übernehmen Sie.
Aber die Kripo über- wie unternimmt nichts. Mit dem 98er Tierschutzgesetz ist ihr das Instrument: „Verbot der Aggressionszucht“ an die Hand gegeben. Alle Fensterreden, empört-betroffenen Politiker-O-Töne und Entrüstungstalks mit Schaum vorm Fang erinnern an die Gesetzmäßigkeit, dass Hunde, die bellen, nicht beißen. Was fehlt, ist nicht Gesetz, Verordnung oder Strafe, sondern bestürzend banal ein paar Planstellen bei Polizei und Ordnungsamt, um bestehendes Recht anzuwenden. Apport! Gib aus. Platz. Ratlos verweist der VDH auf das hundsgemeine Detail, dass seit Inkrafttreten des neuen Tierschutzgesetzes, also zwei Jahre lang, nicht in einem Fall vom Verbot der Aggressionszucht Gebrauch gemacht wurde. Auch zu Leine, Maulkorb, Zuchtverbot gibt es rechtliche Handhabe, die nur umgesetzt werden müsste.
Es lässt sich doch nicht ganz verdrängen: Einmal züchten, immer züchten. In Wortwahl und Entschlossenheit, von Rassestandards bis zum Einschläfern minderwertigen Materials, mutet die organisierte Hundezucht zu deutlich an wie das Comeback der Nürnberger Rassegesetze auf vier Beinen. Wir schenken dem Führer einen Hund, respektive dem Hundeführer einen ein, jedenfalls hatte Adolf ja auch einen reinrassigen Schäferhund. Und war im Übrigen der Überzeugung, sein Name stamme von „Wolf“ ab, weswegen er dann Wolfsburg, Wolfsschanze und anderes wollte und taufte. Ein Rundgang über die europäische Rassehundeschau vermittelt den tröstlichen Eindruck, dass die Deutschen den diesbezüglichen Dachschaden nicht exklusiv haben. Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, ersatzweise Hund, und vor wenigen Tagen war an dieser Stelle ein kluger Aufsatz zu lesen: über die Duplizität entfesselter Hundezucht und dass im gleichen Augenblick am Horizont die gengestützte Menschenzucht zu dräuen beginnt.
Horst Stern enthüllte in den 70ern Abscheuliches vom Hundeleben, und bilanzierte doch: Der Schoßhund, dessen Lebenszweck sich darin erfülle, von seinem betagten Frauchen mit Schokolade zu Tode gemästet zu werden, sei hinnehmbarer als die Einsamkeit eines alten Menschen. Das kann für Kampfhunde, in deren inzestuöser Hirnpampe die sauber rausgezüchteten Restsicherungen durchschmurgeln, nicht gelten. Jagdausstatter halten neben dem gehobenen S/M-Bedarf für Vierbeiner – Stachelhalsband, Würgeleine, Gerte – das bewährte Teletakt-Gerät bereit. Da wird der Hund auf Funkentfernung mit Stromschlägen erzogen. Sieht man ihm nicht an, wenn man ihn aus dem Tierheim holt. Erst, wenn er Jahre später beim beim geeigneten Anlass ansatzlos durchdreht.Mit 18 Monaten ist ein Hund erwachsen, danach müssen alle Erziehungsversuche scheitern. Vom Zuhälter ins Tierheim, von dort in gute Hände: Irrtum.
Drolligerweise sehen sich Waidmänner mit dem guten Hund an der Halsung – und Veganer mit frei tobendem Bastard im Gefolge – so bitter entschlossen ähnlich. Der Jäger ist überzeugt, dem Hund mit seinem rassegerechten Jagdeinsatz das Bestmögliche zu tun. Der Anti-Fleischfresser feiert seinen ungewaschenen Struppi als tapsendes Manifest der achtenswerten Natur. Natürlich hat es einen eher dadaistischen Charme, Enten und Fasane waidgerecht zu erlegen, die im Revier zu eben jenem Zweck aus Zuchtstationen ausgesetzt wurden. Gleichwertig brummdumm verweigert sich die Naturfreundefraktion fleischliche Nahrung, was schlicht nicht artgerechte Haltung der Spezies homo sapiens bedeutet. Die Eiszeit hätten wir ohne lecker Fleischmahlzeit nicht überlebt. Gegenseitig sägen sie sich Hochsitze an und jagen einander die Polizei auf den Hals. Es scheint diese Hundefreunde zu einen, dass sie beide von Menschen nicht viel halten. Possierliche Übereinstimmung; da sollte man mal beider Stammtafeln vergleichend nebeneinander legen. Vielleicht Inzest?
Zitat:„Der Bullterrier ist der Gladiator unter den Hunderassen, voll Feuer und tapfer“, so der Züchterverband
Hinweis:Die organisierte Hundezucht mutet an wie Nürnberger Rassegesetze auf vier Beinen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen