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Palästinenser wollen Staat ausrufen

Der Zentralrat der PLO will bis zum 13. September die Staatsgründung vorbereiten. Über den genauen Termin allerdings wird Arafat selbst entscheiden. Die israelische Regierung warnt vor einseitigen Schritten und erneuten Konfrontationen

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) wird vermutlich noch in diesem Jahr einen eigenen Staat mit Jerusalem als Hauptstadt ausrufen. Hinsichtlich des genauen Termins ließ sich der PLO-Zentralrat bei seiner zweitägigen Sitzung im Gazastreifen allerdings ein Hintertürchen offen: Die Vorbereitung zur Staatsgründung soll demnach bis zum 13. September abgeschlossen werden. Damit ist der offizielle Akt an diesem Stichtag oder später denkbar. Palästinenserpräsident Jassir Arafat betonte in seiner Rede vor dem Zentralrat eher allgemein, dass an der grundsätzlichen Entscheidung, den Staat zu deklarieren „nichts mehr zu rütteln ist“.

Der 13. September 2000 markiert nicht nur den siebten Jahrestag der Unterzeichnung des Osloer Abkommens zwischen Israel und der PLO. Der israelische Ministerpräsident Ehud Barak und Arafat wollen bis dahin auch die so genannte Interimsperiode im nahöstlichen Friedensprozess abschließen. Barak hatte seine Zustimmung zur Staatsgründung nach entsprechender Absprache in Aussicht gestellt, vorausgesetzt, dass bis zum 13. September ein Abkommen über eine endgültige Lösung erreicht wird.

In den vergangenen Wochen hatten die Palästinenser wiederholt angekündigt, dass sie unabhängig von den Verhandlungsergebnissen ihren eigenen Staat ausrufen werden. Der ursprünglich dafür vorgesehene Termin, der 4. Mai letzten Jahres, war auf internationalen Druck hin aufgehoben worden. Wenige Wochen vor den israelischen Parlamentswahlen bestand damals die Sorge vor einem negativen Einfluss auf das Wahlergebnis.

Einige der Redner vor dem Zentralrat betonten, dass es sich im Grunde nicht um eine erneute Staatsdeklaration handelt, sondern um die „Implementierung“ der Proklamation Palästinas vom 15. November 1988 in Algier. Damals berief sich der Palästinensische Nationalrat, das Exilparlament der PLO, auf die UNO-Teilungsresolution von 1947, erkannte zum ersten Mal Israel an und erklärte den Staat Palästina „auf unserem palästinensischen Boden mit dem heiligen Jerusalem als Hauptstadt“. Die bevorstehende Umsetzung der damaligen Proklamation soll in dem gesamten Gebiet der Grenzen von 1967 stattfinden.

Obschon sich die Redner vor dem Zentralrat hartnäckig in der Frage der grundsätzlichen Bedeutung der bevorstehenden „Staatsimplementierung“ äußerten, vermied Arafat eine Entscheidung über einen definitiven Termin. Die Palästinenser werden versuchen, zuvor mindestens eine Zustimmung und die Garantie auf Anerkennung seitens der US-Regierung zu erreichen.

Alternativ zum 13. September wurde im Verlauf der Zentralratssitzung der 15. November als möglicher Termin angesprochen. Fast sicher scheint indes zu sein, dass die Proklamation noch in diesem Jahr stattfinden wird. Die endgültige Entscheidung ist Angelegenheit Jassir Arafats.

Unstimmigkeiten unter den Zentralratsmitgliedern herrschten in der Frage, ob die Staatsgründung in Verbindung mit den derzeitigen Friedensverhandlungen gebracht werden sollten. Vor allem in den Reihen der den Osloer Prinzipienerklärungen oppositionell gegenüberstehenden Bewegungen herrschte die Meinung vor, dass es sich um eine interne palästinensische Angelegenheit handele. Demgegenüber wiesen Mitglieder der Fatah, der größten Palästinenserpartei unter Führung Arafats, auf mögliche negative Auswirkungen einer unilateralen Entscheidung hin.

Auf israelischer Seite hatte vor allem Außenminister David Levy gewarnt, dass die einseitige Staatsausrufung Israel von allen bisherigen Verpflichtungen befreie. Der militärische Nachrichtendienst warnte unterdessen vor neuen Konfrontationen.

Tatsächlich hatte der palästinensische Kommunikationsminister Eymad Faloudji diese Woche Anhänger der islamistischen Hamas und des Islamischen Jihad dazu aufgerufen, sich angesichts bevorstehender Auseinandersetzungen mit Fatah zusammenzutun. „Bald wird der Kampf um Jerusalem stattfinden“, kündigte der Minister an und fügte hinzu, dass die Palästinenser im Anschluss an die Staatsgründung keine Siedler mehr auf ihr Gebiet lassen wollten.

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