: Polizisten gegen Maulkorb
Eine Arbeitsgruppe der Polizei analysierte deren Öffentlichkeitsstrategie am 1. Mai. Nun fordert sie mehr Transparenz und Ehrlichkeit nach innen und außen. Doch die Polizeiführung sträubt sich
von PLUTONIA PLARRE
Die Berliner Polizei lässt sich ungern in die Karten gucken. Und es ist auch nicht ihre Stärke, Fehler öffentlich einzugestehen. Vor diesem Hintergrund klingt die Forderung geradezu revolutionär, die zwölf erfahrene Polizei- und Kriminalhauptkommissare jetzt in einem Projektbericht erhoben haben: mehr Transparenz und Ehrlichkeit nach innen und außen und einen offensiven Umgang mit der Presse.
Die Polizei sei ein im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehendes „Großunternehmen“, das sein „Produkt Sicherheit besser verkaufen“ müsse, heißt es in dem Bericht, in dem der AHA-Öffentlichkeitseinsatz der Polizei am 1. Mai ausgewertet wurde.
Nicht nur die Erfolge müssten aufgezeigt, auch die Fehler dürften nicht verschwiegen werden, lautet die Forderung der Autoren. „Wer durch unrichtige oder gefilterte Informationen Anlass zu Misstrauen gibt, gerät schnell in die Defensive.“ Eine Öffnung der Behörde werde zur Folge haben, dass die Bevölkerung die Polizei mehr akzeptiere und ein größeres Verständnis für deren Arbeit entwickele, sind sich die Verfasser sicher. Die Unterstützung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist ihnen gewiss: Die geforderte Modernisierung sei überfällig, sagte GdP-Chef Eberhard Schönberg.
Von Polizeipräsident Hagen Saberschinsky hingegen war keine Stellungnahme zu erhalten. Der Präsident werde sich schriftlich zu der taz- Anfrage äußern, erklärte ein Polizeisprecher. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das Papier hinter den Kulissen für großen Wirbel sorgt. Als Vertreter der alten Polizeischule ist der 60-jährige Saberschinsky der Meinung, dass sich jeder Beamte der Behördenleitung zu unterwerfen und öffentlich keine eigenen Ansichten zu formulieren habe. Mit der Presse reden darf der einzelner Polizist nur, wenn ihm dies die Polizeipressestelle gestattet. Dass Anfragen von Journalisten in der Regel abschlägig beschieden werden, wenn der gewünschte Interviewpartner nicht ins stromlinienförmige Bild passt, liegt weniger an der Pressestelle. Denn die muss zuvor die Zustimmung von oben einholen. Zwei Beispiele, aus jüngerer Zeit, in denen der taz Gesprächswünsche abgelehnt wurden: Ein Jahr nach den Todesschüssen am israelischen Generalkonsulat durfte ein dort eingesetzer Beamter immer noch nicht über seine Empfindungen reden. Anderen Polizisten wurde verwehrt, einer Liberalisierung des Zuhälterparagraphen das Wort zu reden, der den Prostituierten unsinnig das Leben schwer macht.
Die zwölf Hauptkommissare fordern in ihrem Papier „Regularieren“, die es einer größeren Anzahl von Mitarbeitern gestatten, eigenständig und eigenverantwortlich mit Pressevertretern umzugehen. Zur Begründung heißt es wörtlich: „Es ist nicht einzusehen, dass Polizeibeamte über derart schwerwiegende Eingriffe in die menschliche Privatsphäre wie Blutentnahme, ED-Behandlungen, Durchsuchungen und Festnahmen entscheiden, ihnen aber im Medienzeitalter die Verantwortlichkeit für die Weitergabe von Informationen und Meinungen aus dem polizeilichen Leben an die Öffentlichkeit abgesprochen wird.“ Des Weiteren fordern die Hauptkommissare, dass Saberschinsky seine Weisung zurücknimmt, die es Pressevertretern verbietet, bei Polizeieinsätzen mitzufahren. Den Medien müsse es möglich sein, die polizeiliche Arbeit zu durchleuchten und zu begleiten.
Der Chef der Schutzpolizei, Gernot Piestert, hat schon am vergangenen Donnerstag erklärt, an eine Rücknahme der Weisung sei nicht zu denken. Man habe in dieser Hinischt „leidvolle Erfahrungen gemacht“. Die von Journalisten beim Einsatz begleiteten Mitarbeiter seien in den Berichten „regelrecht vorgeführt“ worden. Die Forderung nach mehr Transparenz sei schön und gut, sagte Piestert, da heiße aber nicht, „dass sich jeder Polizist qualifiziert oder unqualifizert zu allem äußern muss“.
Solche Worte lassen Innensenator Eckart Werthebach (CDU) bestimmt frohlocken. Er gilt als Maulkorbsenator, nachdem er im Innenausschuss angedroht hat, er werde jeden Polizisten, der sich ohne Genehmigung äußere, „rausschmeißen“. Auch Piestert hat Werthebachs Zorn zu spüren bekommen, nachdem er sich auf auf einer Gewerkschaftstagung unverblühmt zu Befindlichenkeiten der Polizei äußerte.
Nachdem die Reformvorschläge selbst von Piestert abgelehnt werden, gehen Insider davon aus, dass auch von den übrigen Mitglieder der Polizeiführung kein Widerspruch kommen wird, um die Karriere nicht zu gefährden. Fakt ist aber auch: Saberschinsky ist nur noch ein Polizeipräsident auf Zeit.
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