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Computer baut Stadtschloss wieder auf

Der Förderverein zum Wiederaufbau legt eine computergestützte Rekonstruktion des barocken Baus und alte Datenbank vor. Kultursenator Stölzl plädiert für den Wiederaufbau des 1950 gesprengten Schlüter-Baus

Für die Befürworter eines Wiederaufbaus des Berliner Stadtschlosses ist die Rekonstruktion seit Mittwochabend ein Stück wirklicher geworden. Den Grund für die Euphorie bilden ein modernes technisches Verfahren, das die Reproduktion der Fassaden planerisch ermöglicht, sowie der Fund einer Vermessungsakte aus dem Jahre 1879 mit rund 50.000 Daten des Gebäudes.

Nach Angaben von Wilhelm von Boddien, Chef des „Vereins Berliner Stadtschloss“, kann das Schloss dadurch „hundertprozentig rekonstruiert“ werden. Angesichts der Daten könne jetzt niemand mehr von „historisierenden Fassaden oder einem Disneyland“ sprechen. Boddien stellte die Technik und die Akte aus dem Berliner Bauamt auf einer Veranstaltung im Liebermann-Haus vor. Dort sprach sich auch Kultursenator Christoph Stölzl für einen Wiederaufbau des 1950 gesprengten Schlüter-Baus aus.

Kern des Rekonstruktionsverfahrens, sagte Boddien, seien alte Detailpläne, Fotos und Datenbestände des Schlosses gewesen, die in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität in einem CAD-gestützten Computer gespeichert wurden. Hinzu kamen Zeichnungen der Fassade und zweier Fensterachsen des barocken Baus. Die Koordination aller Informationen, so Boddien, habe „ein zentimetergenaues und originalgetreues“ Abbild der alten Schlossfassade möglich gemacht.

Außerdem brachte die „Trouvaille“ der alten Datenakte, deren Daten und Maße von Gebäudeteilen und Ornamenten mit in das Computerprogramm eingegeben wurden, zusätzliche Übereinstimmung mit der originalen Bausubstanz. Boddien, der seit Jahren um den Wiederaufbau des Stadtschlosses kämpft, forderte angesichts der neuen technischen Verfahren eine baldige politische Entscheidung zu Gunsten des Wiederaufbaus.

Unterstützung erhielt Boddien von Kultursenator Stölzl, der sich einen modernen Bau in der Größe des Stadtschlosses nicht vorstellen kann. Stölzl: „Die Frage nach moderner Architektur stellt sich hier nicht.“ Vielmehr müsse der Platz in Gestalt seines „ursprünglichen Ensembles“ wieder gefüllt werden. „Wenn der Computer das kann“, fragte Stölzl rhetorisch, „warum machen wir das dann nicht so?“

Während Boddien die Frage der Nutzung ausklammerte, konnte sich Stölzl den Einzug eines Museums in den Schlossbau vorstellen. Dabei sei „es nicht zwingend“, das Innere ebenfalls im Original wieder aufzubauen. In der Schlossdebatte hatte jüngst der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Lehmann, vorgeschlagen, die Sammlung Europäischer Kulturen aus Dahlem und internationale Institutionen dort unterzubringen. ROLF LAUTENSCHLÄGER

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