: Große Koalition für Flüchtlinge
245 Bundestagsabgeordnete aus allen Fraktionen fordern sicheren Aufenthaltsstatus für Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien. Duldung ist nicht genug
BERLIN taz ■ Die Lebensituation für hier lebende Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien soll verbessert werden. Das verlangen 245 Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen – darunter auch die grünen Bundesminister Andrea Fischer und Jürgen Trittin – in einem gemeinsamen Gruppenantrag. Sie fordern die Bundesregierung und die zuständigen Länderinnenminister auf, Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien einen sicheren Aufenthaltsstatus zu gewähren.
Dazu sei keine Gesetzesänderung nötig. Es müsse lediglich das Ausländerrecht „endlich ausgeschöpft werden“, damit den Flüchtlingen nicht nur eine befristete Duldung erteilt werde, sondern sie eine Aufenthaltsbefugnis erhalten könnten.
Der Antrag geht auf eine Initiative von vier im Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages sitzenden Parlamentariern und Parlamentarierinnen zurück, die sich auch schon mit dem „Osterappell“ für ein Bleiberecht der Flüchtligen aus dem ehemaligen Jugoslawien eingesetzt haben: Claudia Roth (Grüne), Christian Schwarz-Schilling (CDU), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Heidi Mattischeck (SPD).
„Wir wollen erreichen, dass nicht nur Bürgermeister aller Parteien sich vor Ort an Parlamentarier aller Fraktionen wenden mit dem Ziel, sich für eine Aufenthaltsbefugnis einer bestimmten Familie mit Kindern einzusetzen.“ Die Unterzeichner des Antrags plädieren für eine „Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik“, dass „nicht mehr im Zweifel gegen sie, sondern unter Achtung humanitärer Grundsätze für sie entschieden wird“.
Besonders kritisierten die Abgeordneten die Berliner Praxis, wonach traumatisierte Flüchtlinge, die eine Bescheinigung eines Facharztes haben, seit Frühjahr 1999 alle noch einmal von Polizeiärzten zweitbegutachtet werden. Wenn das Erstgutachten, dem häufig unterstellt wird, dass es ein Gefälligkeitsbewertung sei, nicht mit dem Zweitgutachten übereinstimmt, müssen die traumatisierten Menschen sich häufig ein drittes Mal einer Begutachtung unterziehen, um nicht abgeschoben zu werden. Diese „rechtswidrige Praxis“ traumatisiere zusätzlich“, kritisieren die Politiker und fordern den Berliner Innensenator auf, „zur gängigen Praxis zurückzukehren“, das heißt das Erstgutachten zu akzeptieren.
Leutheusser-Schnarrenberger warnte davor, dass nur noch Menschen aufgenommen werden könnten, „die uns nützlich und von Nutzen sind“. Die grüne Abgeordnete Roth betonte, mit dem Gruppenantrag „haben wir wieder eine Verbindung mit gesellschaftlichen Gruppen hergestellt, die sich um Flüchtlinge kümmern.“ KARIN NINK
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