: „Der Gewinner hat das Sagen“
Ümit Ergün (23) ist eine Legende auf Berliner Basketball-Freiplätzen. Henning Harnisch sprach mit ihm über die Philosophie des Spiels, seinen Lieblingsplatz und Modespieler
Seit wann spielst du Freiplatzbasketball?
Auf der Straße habe ich 1985 angefangen zu klickern, in der Sundgauer Straße. Da war ein Platz direkt in der Amisiedlung. Die Amis hatten an jeder Ecke einen Korb hängen.
Da hast du dann mitgespielt?
Mitgespielt würde ich nicht gerade sagen. Die Amis haben mir die Grundregeln rübergebracht: Winner Stays, Make It – Take It. Aber die Jüngeren haben sie nicht so schnell mitspielen lassen.
Wie alt warst du da?
Neun.
Und wann hattest du das Gefühl, dass du mitspielen kannst?
Eher so mit 15, 16.
Also jahrelang üben, zugucken ...
... warten, Geduld haben.
Sechs Jahre musstest du warten, bis du mit den Großen spielen durftest?
Ja. Oder es war halt so, dass sie nur neun Leute waren und sie mich brauchten. Oder ich hatte einen Basketball und sie nicht.
Wie sieht es heutzutage aus, wann spielst du?
Bei mir hat sich das so entwickelt, dass ich am Sonntag gerne auf den Yaam gehe, samstags zum Wannsee. So ab zwei, drei Uhr gehen wir hin. Wir spielen so bis um sieben. Wenn es richtig gut ist, spielt man schon mal länger.
Und wochentags?
Eher seltener. Wenn Ferien sind, dann vielleicht. In meinem Alter kommen unter der Woche keine Leute, sie müssen arbeiten oder in die Uni gehen.
Wo ist dein Homecourt?
Also, im Moment kenne ich nur einen richtig guten Platz: das ist Wannsee. Da kann man ordentlich spielen.
Wann wird ein Platz zum Homecourt?
Er muss gut sein, man braucht Competition. Man kann nicht zu irgendeinem Court sagen, das ist mein Homecourt, und dann spielst du alleine auf dem Court. Du brauchst Leute. Und du kannst sagen, das ist mein Homecourt, wenn du dort viele Spiele gewonnen hast.
Hast du auf deinem Lieblingsplatz Einfluss auf die Regeln?
Die Grundregeln stehen fest: Gewinner bleibt; Gewinner hat den Ball am Anfang vom Spiel. Und der Gewinner kann sich aussuchen, wo es lang geht. Der Gewinner hat das Sagen – das ist wahrscheinlich auf der ganzen Welt so.
Fährst du manchmal durch die Stadt und checkst andere Plätze aus?
Manchmal schon, aber dann fahre ich dahin und sehe nur Gurken. Dann denke ich mir, nee, das tue ich mir hier jetzt nicht an.
Wo spielen starke Leute?
Hohes Niveau bieten höchstens drei Plätze: Wannsee, wie gesagt. Kaiserdamm kann man manchmal spielen. Und es gibt das Yaam. Das war’s eigentlich.
Was hat sich die letzten Jahre verändert?
Als Streetball auftauchte, die großen Turniere anfingen, 1992, da kamen plötzlich 'ne Menge Leute, wollten wie Basketballer aussehen und spielen können. Dachten, Basketball ist cool und so. Dann hat man denen gezeigt, wo rechts und links ist, und dann waren die Modespieler auch schnell wieder weg.
Was hat sich sonst verändert?
Die Leute, zumindest die, die das als Mode gesehen haben, sind aggressiver geworden. Da hieß es auf einmal, nicht der Bessere gewinnt, sondern der Stärkere. Andererseits ist es auch nicht mehr so eine Competition. Früher war es nicht so, dass man auf den Platz gegangen ist, um Halligalli zu machen und ein bisschen zu chillen. Das gab es früher nicht so. Die Leute wollten spielen, schwitzen, einfach etwas tun.
Trügt der Eindruck, oder geht es auf den Freiplätzen international zu?
Im Großen und Ganzen ist es schon ganz schön Intermultikulti und friedlich. Nur zur Zeit des Jugoslawien-Kriegs gab es schon mal vermehrt Ärger. Ein Freund von mir, ein Bosnier, ist zum Beispiel mit einem bosnischen Hemd auf den Platz gegangen, und der hat dann von einem älteren Mann eine Schelle bekommen. Aber das ist vorbei.
Wie lange dauert die Saison?
Die Saison dauert so lange, wie es warm ist.
Und dann wartest du auf die nächste?
Ab März fängt es an zu kribbeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen