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Vollstreckung gegen Deutschland

Weil die deutsche Bundesregierung ein Urteil des obersten griechischen Gerichtes nicht anerkennt, mit dem Deutschland zu Entschädigungszahlungen an Opfer eines NS-Massakers verurteilt wird, soll jetzt das Goethe-Institut gepfändet werden

von BERND PICKERT

Der Konflikt um deutsche Entschädigungsleistungen wegen eines nationalsozialistischen Massakers in Griechenland eskaliert. Weil die Bundesregierung sich weigert, einem Urteil des Obersten Gerichts Griechenlands zu folgen, will der griechische Anwalt der Betroffenen jetzt die Zwangsvollstreckung durchsetzen. Am Dienstag betraten Gerichtsvollzieher mit Pfändungsbeschlüssen das Goethe-Institut in Athen. Ebenfalls von Pfändungen betroffen sind womöglich das Deutsche Archäologische Institut in Athen und die Deutschen Schulen in Athen und Thessaloniki.

Am 14. April hatte das Oberste Gericht Griechenlands letztinstanzlich ein Urteil von 1997 bestätigt, das die Bundesrepublik Deutschland zur Zahlung von rund 55 Millionen Mark Entschädigung, zuzüglich Zinsen etwa 100 Millionen Mark, an 296 Angehörige der Opfer des Massakers von Distomo verurteilt. In Distomo, eine Gemeinde mit heute rund 5.000 Einwohnern nahe bei Delphi, waren am 10. Juni 1944 218 Einwohner von Angehörigen einer SS-Einheit grausam ermordet worden.

Seither ist die Frage der Entschädigung offen. 1960 hatte die damalige Bundesregierung der griechischen Regierung 115 Millionen Mark gezahlt. In einem Vertrag war festgelegt worden, dass diese Summe „zugunsten der aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffenen griechischen Staatsangehörigen“ oder ihrer Hinterbliebenen gezahlt werde. Der Vertrag, heißt es in Artikel III, sollte alle griechischen Ansprüche gegen Deutschland abschließend regeln. Darauf berief sich auch die Bundesregierung, als die Opfer von Distomo ihre Forderungen zu artikulieren begannen.

Doch bei der Verteilung des Geldes waren die Einwohner Distomos seinerzeit leer ausgegangen; nicht zuletzt deswegen, weil das Massaker von Distomo nicht als NS-Unrecht, sondern als Vorgang im Rahmen von Kriegshandlungen angesehen worden war. Etwaige Forderungen wären also Teil von Reparationsforderungen gewesen – doch die sollten erst gestellt werden können, so die deutsche Hinhalteposition, wenn es nach einer deutschen Wiedervereinigung zu einem Friedensvertrag käme.

Immerhin hatte die Pariser Konferenz der Siegermächte 1946 Deutschland zur Zahlung von 7,5 Milliarden Mark Schadenersatz an Griechenland verurteilt, dazu kamen Forderungen nach weiteren 7,5 Milliarden Reichsmark, die die deutsche Besatzung 1942 als „Zwangsanleihe“ von der griechischen Zentralbank erhalten hatte. 1990 stellte sich die griechische Seite auf den Rechtsstandpunkt, das der 2 + 4-Vertrag in seiner Funktion einem solchen Friedensvertrag gleichzusetzen sei. Jetzt aber sagte die Bundesregierung, dass die Frage von Reparationsleistungen 45 Jahre nach Kriegsende nicht mehr zeitgemäß sei.

Schließlich entschieden sich die Bürger Distomos unter Führung des Anwaltes und Pasok-Politikers Iannis Stamoulis zu einer Sammelklage gegen Deutschland, die mit Urteilen von 1997 und vom April diesen Jahres Erfolg hatte.

Die Bundesregierung hingegen bleibt bei ihrem Standpunkt, dass Entschädigungsforderungen mit den Leistungen von 1960 abgegolten seien. Zudem erkennt sie unter Berufung auf das Prinzip der Staatenimmunität, nach denen ein Staat nicht durch ein Gericht eines anderen Staates verurteilt werden kann, die Zuständigkeit griechischer Gerichte nicht an. Sie ist also keinesfalls willig, den mit dem Urteil verbundenen Zahlungsaufforderungen nachzukommen.

Beiden Regierungen ist bei alledem nicht wohl. Die Bundesregierung hat am Dienstag eiligst den griechischen Gesandten einbestellt, Bundeskanzler Schröder soll in einem Telefonat mit Ministerpräsident Simitis um ein Eingreifen der griechischen Regierung gebeten haben. Diese ist ihrerseits bestrebt, die guten Beziehungen zu Deutschland nicht zu gefährden. Sie verweigert den Pfändungsbestrebungen der Justiz die Zustimmung des zuständigen Ministeriums.

Andererseits aber steht sie innenpolitisch unter Druck, sich an die Seite der Opfer zu stellen. Insofern hofft Athen auf deutsche Verhandlungsbereitschaft – bislang vergeblich. Bis zum 20. September haben beide Seiten Zeit, sich um Klärung zu bemühen. Zu diesem Datum sollen die ersten deutschen Besitztümer der betroffenen Einrichtungen zwangsversteigert werden.

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