: „Die Probleme in Fidschi bleiben“
Fidschi, Salomonen, Bougainville, Osttimor, Indonesien – Australien ist in der Pazifikregion von zahlreichen Konfliktherden umgeben
Interview SVEN HANSEN
taz: Eine Lösung der Geiselkrise in Fidschi scheint unmittelbar bevorzustehen. George Speight, der Führer der Putschisten, der vor acht Wochen 31 Politiker einschließlich des indischstämmigen Premiers als Geisel nahm, scheint sich mit seinen Vorstellungen über die Bildung einer neuen Regierung des Inselstaats durchzusetzen. Werden Sie bald mit George Speight den traditionellen Kava trinken, wie es bei Treffen in Fidschi üblich ist?
Alexander Downer: Nein, auf keinen Fall. Die Probleme in Fidschi werden auch nicht so bald gelöst sein. Vielleicht werden die Geiseln freigelassen, was seit dem 19. Mai allerdings schon oft erwartet wurde. Die Freilassung ist natürlich unsere erste Priorität, aber das heißt nicht, dass dann die Probleme gelöst sind. Das ist erst der Fall, wenn die Demokratie in Fidschi wiederhergestellt ist und Fidschi wieder eine multiethnische Regierung hat. Man kann ein Land nicht mit einer Regierung führen, die auf rassistischer Grundlage 43 Prozent der Bevölkerung ausschließt. Im Jahre 2000 akzeptiert das niemand, was die Fidschianer verstehen müssen. Fidschi muss zur Rückkehr zur Demokratie ermuntert werden.
Wie wollen Sie das erreichen?
Wir werden uns Sanktionen überlegen.
An welche Art Sanktionen denken Sie dabei?
Nun, wir wollen Fidschis Wirtschaft ja nicht zerstören, was wir leicht tun könnten, da Fidschi die Hälfte seines Handels mit uns abwickelt. Aber das wäre unverantwortlich. Wir denken vielmehr an die Einstellung unserer Hilfe im nichthumanitären Bereich, an die Herabstufung unserer Beziehungen im Verteidigungsbereich, an weiter gehende Sanktionen im Bereich des Sports.
Wird das George Speight und seine Leute sonderlich beeindrucken?
George Speight wird überhaupt nichts beeindrucken, weil er vor allem mit den Problemen seiner eigenen Firma beschäftigt ist. Er kümmert sich nicht um Fidschis Wirtschaft. Niemand sollte sich über den Mann irgendwelche Illusionen machen, er ist kein guter Mensch. Er darf nicht Mitglied der Regierung werden. Das ist völlig inakzeptabel.
Setzt sich Australien bei anderen Ländern für einen Boykott Fidschis ein?
Nicht für Handelssanktionen. Aber wir wollen zum Beispiel nicht, dass die EU Speight und seiner Gang erlaubt, nach Europa zu reisen. Wir werden diesen Leuten auch keine Einreise nach Australien gestatten. Die Neuseeländer erlauben den Besuch ihres Landes nicht, und auch die USA haben sich angeschlossen.
Haben Sie darüber anlässlich Ihres Deutschlandbesuches mit der Bundesregierung gesprochen?
Wir sprachen nur ganz allgemein über Fidschi. Über mögliche Sanktionen muss entschieden werden, wenn wir die kurzfristige Lösung des Fidschi-Problems kennen.
Werden Fidschianer indischer Abstammung, die ein von Speight dominiertes Land verlassen wollen, in Australien Aufnahme finden?
Es gibt gewisse Umstände, unter denen sie nach Australien kommen können. Aber: Wir wollen keine „ethnische Säuberung“ in Fidschi. Die beste Lösung wäre eine multiethnische Gesellschaft. Die Zeiten sind vorbei, in denen man ein Land auf der Grundlage vermeintlich rassischer Überlegenheit regieren konnte. Wäre die Umsiedlung aller Indofidschianer nach Australien die einzige Lösung, hieße das die Unterstützung einer Politik der „ethnischen Säuberung“. Und das hat Australien nie gemacht und wird es auch in Zukunft nicht machen.
Australien hat im letzten Jahr Kosovo-Albanern Schutz und Aufnahme angeboten. Sollten jetzt nicht auch Indofidschianer aufgenommen werden?
Wären die Umstände vergleichbar wie im Kosovo, wäre das eine Option. Aber die Situation in Fidschi ist nicht so ernst. Indofidschianer werden nicht getötet und noch nicht terrorisiert. Wir haben mehrere tausend Kosovo-Albaner aufgenommen, aber als die KFOR die Lage beruhigt hatte, wurden sie wieder zurückgeschickt.
Hätte Fidschis abgesetzter Premier Mahendra Chaudhry Chancen, in Australien Asyl zu bekommen?
Wir würden uns um ihn kümmern. Soweit ich ihn kenne, würde es mich jedoch überraschen, sollte er fliehen wollen, statt zu bleiben und für die Demokratie zu kämpfen.
Fidschi, die Salomonen, Bougainville, Westpapua, Osttimor, Indonesien, um nur einige Konfliktherde in Ihrer Region zu nennen. Australien ist von Krisengebieten umgeben. Fühlen Sie sich in Ihrer Nachbarschaft noch wohl?
Wir fühlen uns nicht unwohl, denn keiner unserer Nachbarn bedroht uns. Aber es stimmt, dass wir mit Ausnahme Neuseelands von Instabilität umgeben sind. Das Problem ist, dass die europäischen Kolonialmächte in Südostasien und im Pazifik künstliche Staaten schufen. Dabei wurden die ethnischen Unterschiede der Völker nicht berücksichtigt. Aus den von den Europäern geschaffenen Territorien sind dann die neuen Nationen hervorgegangen. Viele ethnische Probleme rühren daher. Wir haben keine andere Wahl, als den Staaten zu helfen, ihre ethnischen Probleme zu lösen – innerhalb der von den Kolonialmächten vorgegebenen Grenzen. Wir wollen keine Grenzveränderungen.
Welche Konsequenzen zieht Australien aus den Konflikten in der Region?
Wir tun, was wir können, um die Probleme im Südpazifik gemeinsam mit den größten Entwicklungshilfegebern lösen zu helfen. Wir selbst sind dort mit Abstand größter Geldgeber und mächtigster Staat. Aber es gibt Grenzen, schließlich handelt es sich um unabhängige Staaten. Diese Länder müssen die Lösungen für ihre Probleme selbst entwickeln. Wir können ihnen keine Lösungen aufdrängen, weil sie dann richtigerweise annehmen, dass es von außen diktierte Lösungen wären.
Wird Australien seine Streitkräfte aufstocken?
Wir sollten zunächst die Effizienz unserer Truppen steigern und dann in zweiter Linie vielleicht mehr Geld dafür ausgeben. Wir geben bisher 1,9 Prozent unseres Bruttosozialprodukts für die Verteidigung aus, das ist etwas mehr als Deutschland. Es ist noch zu früh für konkrete Schlussfolgerungen, da wir gerade unsere Verteidigungspolitik überprüfen.
Als Australien im letzten Jahr die multinationale Interventionstruppe in Osttimor anführte, wurde von einer nach Ihrem Premier benannten „Howard-Doktrin“ gesprochen. Es hieß damals, Australien sei der regionale Hilfssheriff der USA. Wie sehen Sie Australiens regionale Rolle?
Die australische Regierung hat nie von einer „Howard-Doktrin“ gesprochen und auch nicht davon, Hilfssheriff der USA zu sein. Es ist eine absurde Idee. Australier sind sehr auf ihre Unabhängigkeit bedacht. Wir sind in einem Bündnis mit den USA, aber letztlich fällen wir unsere Entscheidungen selbst. Osttimor war eine besondere Situation, von der wir annehmen, dass sie sich nicht wiederholt. Osttimor ist nicht beispielhaft für andere Krisen. Außer in wirklichen Sonderfällen, die ich mir momentan nicht vorstellen kann, sollte Australien seine Truppen nicht in asiatisch-pazifische Konfliktregionen entsenden, um dort die Probleme zu lösen
Australien hat als eines von wenigen Ländern die indonesische Annektion Osttimors (1976) anerkannt. 1999 führte Australien plötzlich die Friedenstruppe in Osttimor. Verstehen Sie die indonesische Verärgerung darüber?
Nicht wirklich. Denn es war Indonesiens Präsident Habibie, der, von uns ermutigt, zu Gunsten einer Volksabstimmung über Unabhängigkeit oder Integration Osttimors entschieden hat. Auch wenn wir unsere Anerkennung des Status von Osttimor verändert haben, so hielten wir es für eine gute Sache, dass die Osttimoresen selbst bestimmen. Sie wählten mit großer Mehrheit die Unabhängigkeit. Und das hat einige Indonesier überrascht. Die Indonesier haben dann eine internationale Truppe nach Osttimor eingeladen – wenn auch auf starken internationalen Druck. Der UN-Generalsekretär forderte Australien auf, diese Truppe zu führen.
War es ein Fehler, die indonesische Annektion Osttimors anzuerkennen?
Nein. Das lässt sich in Deutschland, Schweden oder Burkina Faso leicht so sehen. Aber diese Länder haben im Gegensatz zu uns keine gemeinsamen Seegrenzen mit Indonesien und Osttimor. Wir müssen damit täglich umgehen. Als ich selbst noch ein junger Kerl war, hatte Australiens Regierung im Vorfeld der Verhandlungen zum Vertrag über das Timor-Gap [rohstoffreiches Seegebiet zwischen Timor und Nordaustralien; d. Red.] entschieden, die Annektion anzuerkennen, um klare Seegrenzen definieren zu können. Das war damals richtig. Man darf solche Entscheidungen nicht ohne ihren Kontext beurteilen.
Ist es nicht widersprüchlich, mal mit dem Selbstbestimmungsrecht der Osttimoresen zu argumentieren und mal mit Australiens Eigeninteresse als Nachbar Indonesiens?
Wir sind in dieser Sache keineswegs heuchlerisch. Schon Ende 1975, als Indonesien in Osttimor einmarschierte, haben wir protestiert und die Angelegenheit vor den UN-Sicherheitsrat gebracht. Wir haben immer das Selbstbestimmungsrecht der Menschen in Osttimor unterstützt.
Der frühere Premier der Salomonen hat Monate vor Ausbruch der aktuellen Krise Australien um die Entsendung von Polizisten zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung gebeten. Sie haben abgelehnt. War das angesichts der Ereignisse der letzten Wochen nicht ein Fehler?
Nein, das war richtig. Wir wollen nicht die Aufgaben der Polizei der Salomonen übernehmen. Solche Länder müssen verstehen, dass sie seit ihrer Unabhängigkeit – im Falle der Salomonen seit 1978 – auch wirklich unabhängig sind und deshalb versuchen müssen, ihre Probleme selbst zu lösen. Wir helfen gern, aber wir sind nicht bereit, das Blut junger Australier zu vergießen, um in den Salomomen einen ethnischen Konlikt zu lösen. Hätten wir bewaffnete Polizisten oder Soldaten auf die Salomonen geschickt, wäre es zum Desaster gekommen. Eine Intervention hätte die Probleme nur vergrößert. Auf den Salomonen hätten sehr viele die Intervention einer auswärtigen Macht ohnehin abgelehnt. So kann man keinen Konflikt lösen.
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