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Wo ist die Freiheit?

betr.: „Historischer Einschnitt“, taz vom 24./25. 6. 00

Von Volker Beck und dem LSVD sind die Lesben und Schwulen in der BRD seit Jahren nichts anderes gewohnt als die immergleichen ideologischen Phrasen, mit denen sie uns einzureden suchen, dass die Öffnung der Ehe oder mindestens die Schaffung eines Surrogats endlich unsere rechtliche Gleichstellung und gar das Ende von Diskriminierung bedeuten wird. Ebenso sind wir es gewohnt, dass der sich tolerant und/oder linksliberal gerierenden heterosexuellen Mehrheit ihre Minderheiten in der Regel einerlei sind, weshalb sie sich selten die Mühe macht, Lesben und Schwule als sozial, ökonomisch und kulturell differenzierte Gruppe wahrzunehmen, die darüber hinaus auch noch sehr unterschiedliche politische Positionen vertreten. Es ist einfach bequemer für sie, zu glauben, die vom LSVD mit stellenweise harten Bandagen durchgesetzte Position sei die Position der Lesben und Schwulen.

[...] Genaueres Nachdenken über die Geschichte und Politik von Ehe als „Kernstück der bürgerlichen Gesellschaft“ hätte hier Not getan. Denn das Recht zu heiraten, darauf zu verengen, dass es sich um einen Akt der Freiheit handelt, unterschlägt den Zwang, der Eheschließungen oft begleitet: Wo ist die Freiheit, wenn ich zur Sicherung der Existenz meiner ausländischen Partnerin diese ehelichen muss, weil die BRD ihr ein autonomes Aufenthaltsrecht verweigert? Wo ist die Freiheit, wenn meine Rentenansprüche nur dann an meine Partnerin, die womöglich mein ganzes berufstätiges Leben mit mir zusammen war, übergehen, wenn ich diese vorher geehelicht habe? Wird Heiraten also eine Option, die bis dahin illegitimes Verhalten legitimiert und darüber hinaus mit sozialen Sicherheiten verbunden ist, kann von Freiheit allein nicht die Rede sein. Fast alle Befürworter der Öffnung der Ehe sind gewillt, genau diese symbolische und materielle Gewalt zu ignorieren.

Wer daher Ehe lediglich als eine Option unter anderen verhandelt, ist schlicht naiv. Wer damit argumentiert, dass das Recht auf Eheschließung Lesben und Schwule endlich aus der Ecke der Parias holen wird, übersieht oder ist willens, es zu ignorieren, wie dieses Recht eine Politik der Beschämung anderer Weisen, Sexualität und Intimität zu leben, möglicherweise verstärkt. Auch wenn unbestritten ist, dass der Ausschluss von Lesben und Schwulen aus dem demokratisch verbürgten Recht zu heiraten, eine potente Quelle der Diskriminierung, Regulierung und Stigmatisierung ist, so erfordert die Bekämpfung dieser Stigmatisierung, dass wir über die Forderung nach Einschluss lesbischer und schwuler Paare in dieses Recht hinausdenken, und dass wir anerkennen müssen, das heiraten immer Konsequenzen für die Nichtverheirateten hat, gleich wie die sexuelle Präferenz der Heiratswilligen ist.

Denn solange Menschen heiraten und heiraten wollen, wird der Staat damit fortfahren, die sexuellen Leben derjenigen, die nicht heiraten (wollen), zu regulieren. Er wird fortfahren damit, andere intime Verbindungen nicht anzuerkennen und diesen die Rechte verweigern, die er verheirateten Paaren zugesteht. [...] Und er wird dies rechtfertigen damit, dass es sich um sexuelle Beziehungen und Handlungen handelt, die außerhalb der Ehe stattfinden. Kurzum: Die Ehe und Eheregulierungen, Ein- und Ausschlüsse aus dieser, sind immer Teil moderner staatlicher Politik gewesen. Keine andere Form, Intimität oder Sexualität zu leben, ist mit derselben Macht ausgestattet, sich mit dem Staat zu paaren.

Wer daher die Öffnung der Ehe beziehungsweise die anstehende Einrichtung eines Surrogats als „historischen Einschnitt“ feiert, verschleiert, dass es sich um die fortgesetzte Privilegierung einer Lebensweise, nämlich „auf Dauer angelegter Partnerschaften zwischen zwei Menschen“ handelt und nicht um gleiche Rechte für Lesben und Schwule, gleich wie sie leben.

Man kann es auch so sagen: Der LSVD hat Lobbypolitik in bester bundesdeutscher Tradition gemacht. Statt sich für gesellschaftspolitische Reformen einzusetzen, die sich an der veränderten gesellschaftlichen Realität von lesbisch, schwul und heterosexuell Lebenden orientiert, setzt man alles daran, ein Stück vom altbackenen Kuchen zu ergattern. Statt konsequent an einer Reform des Familienrechts zu arbeiten, die die Vielfalt gegenwärtiger familiärer Bindungen und die daraus entstehenden Rechtsbedürfnisse in den Blick nimmt, streitet man(n) schlicht dafür, den Kreis der Privilegierten zu erweitern. [...] SABINE HARK, Berlin

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