piwik no script img

Kleinaktionäre gelackmeiert

Nach dem Totalabsturz der einstmals hoch gelobten Software-Firma Baan sollen Privataktionäre nun weniger Geld pro Aktie bekommen als die großen Anteilseigner

KÖLN taz ■ Gestern lief die Frist für das Übernahmeangebot ab, das der britische Technologiekonzern Invensys den Aktionären des Software-Herstellers Baan gemacht hat. Die Anteilseigner sollten ihre Aktien zu 2,85 Euro das Stück verkaufen. Invensys will Baan nur übernehmen, wenn 95 Prozent der Aktien zusammenkommen. Nun gilt das Angebot als gescheitert. Denn die meisten Kleinaktionäre betrachten die 2,85 Euro als Peanuts.

Baan, Hersteller von Unternehmenssoftware, war vor zwei Jahren ein Star der New Economy. Die Wirtschaftspresse sagte den Kampf von Baan gegen SAP um die Weltmarktführung voraus. Gründer Jan Baan, „Bill Gates der Niederlande“, im Januar 1998: „Baan will den Umsatz bis 2000 auf zwei Milliarden Dollar verdreifachen. SAP ist größer, aber wir sind besser.“ Zu den 2.800 Kunden gehörten Boeing, BMW und Renault. Die Zahl der in Indien arbeitenden 350 Ingenieure sollte auf 1.000 aufgestockt werden. Der Aktienkurs schoss auf 97 Mark.

Durch Ermittlungen der US-Börsenaufsicht Security Exchange Commission (SEC) stellte sich aber heraus, dass Umsatz und Gewinn künstlich aufgebläht waren. Die SEC spricht von organisiertem Betrug. Mit der Unternehmensberatung McKinsey hatte Baan Tochterfirmen wie Baan Midmarket Solutions (BMS) gegründet. Die von BMS gekaufte Software wurde von Baan als Umsatz verbucht, auch wenn sie nicht von einem Endkunden gekauft wurde. Gleichzeitig verkauften die von Jan Baan beherrschte Vanenburg-Gruppe und Mitglieder des Vorstands heimlich riesige Aktienpakete. Jan Baan und sein Bruder Paul haben nach Berechnungen der Zeitung Volkskrant zwischen 1,4 und 2,2 Milliarden Gulden verdient.

Seit Herbst 1998 brach das Kartenhaus zusammen. Gut 1.000 der ehemals weltweit 6.000 Beschäftigten wurden entlassen. Der Aktienkurs stürzte auf fünf Mark ab. Invensys hat in dieser Höhe das Übernahmeangebot gemacht. Die Großaktionäre haben ihre Restbestände von zusammen 20 Prozent bereits an Invensys verkauft. Für die Großen gilt nicht nur der Preis von fünf Mark pro Aktie, es fließen auch 50 Millionen Mark für „Sonderrechte“.

Für die Kleinaktionäre sieht der Shareholder-Value anders aus. Ihnen stellte der Baan-Vorstand am 29. Juni auf einer Aktionärsversammlung in Nijkerk das Invensys-Angebot vor. Alle 300 anwesenden Kleinaktionäre lehnten ab. Sie riskieren nun die Enteignung: Wer nicht verkauft hat, dessen Aktien will Invensys löschen. 400 Kleinaktionäre haben eine Massenklage eingereicht. WERNER RÜGEMER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen