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„Nach Durban gibt es viel weniger Zynismus“

Matthias Wienold, Berater der Deutschen Aids-Stiftung, bewertet die Welt-Aids-Konferenz positiv und fordert eine radikale Debatte über Medikamentenpreise

taz: Gerade unter Aktivisten in den Industriestaaten hat es im Vorfeld der diesjährigen Welt-Aids-Konferenz Kritik am Austragungsort Südafrika gegeben, wegen der unklaren Haltung der Gastgeber in der Aidsbekämpfung. Dennoch wird die Konferenz jetzt von vielen als sehr positiv beurteilt. Schließen Sie sich dieser Meinung an?

Matthias Wienold: Vor vier Jahren, bei der Welt-Aids-Konferenz in Vancouver, haben wir gesagt: Aids hat ein Gesicht. Das war damals ein enormer Fortschritt. Zugleich haben wir gedacht, es sei möglich, eine endgültige Heilung zu finden. Jetzt, in Durban, haben wir gelernt, dass Aids ein neues Gesicht hat: ein schwarzes. Das ist überhaupt keine Bedrohung, denn darunter verbergen sich wiederum ganz viele verschiedene Gesichter.

Trotz der Bedenken vorher war es also richtig, die Konferenz erstmals in Afrika abzuhalten?

Ja, unbedingt, das hat die Wahrnehmung für das Ausmaß des Problems nicht nur in Afrika, sondern in der gesamten Dritten Welt erheblich verändert. Wir müssen auch dafür sorgen, dass die Konferenz nach der nächsten in Barcelona 2002 wieder in ein Dritte-Welt-Land geht, in Asien oder Lateinamerika.

Gibt es eine Botschaft der Konferenz in Durban?

Es mag sich vielleicht paradox anhören, aber es gibt nach Durban viel weniger Zynismus. Niemand mag sich mehr damit abfinden, dass eine ganze Generation einfach stirbt. Die zentrale Botschaft lautet: Man kann etwas tun im Kampf gegen Aids. Das betrifft zum ersten die Verringerung der HIV-Übertragung von schwangeren Frauen auf ihre Kinder. Das mag manchen nur als ein Randaspekt vorkommen, aber gerade in der Dritten Welt ist das enorm wichtig, und es können tatsächlich Fortschritte mit vergleichsweise geringen Mitteln erzielt werden. Zum Zweiten betrifft das die Gestaltung der Preise für die derzeit erhältlichen Medikamente. Vielleicht müsste man die Frage noch radikaler diskutieren: Bei uns sind die Medikamente immer noch nicht teuer genug, um sie auf der anderen Seite in der Dritten Welt entsprechend billiger machen zu können. Eine weitere wichtige Erkenntnis ist, dass viel mehr Geld notwendig ist, um die Krankheit weltweit zu bekämpfen. Damit meine ich nicht nur Geld, das in Forschung gesteckt wird, um nach einer Heilung zu suchen. Es ist absolut nicht mehr ausreichend, wie bisher nur mehr Geld für Forschung zu fordern. Jetzt sind alle Teile der Gesellschaft gefragt, Regierungen, Industrie, der private Sektor. Das Angebot von Boehringer Ingelheim, Viramune, das HIV-Übertragung von Mutter zu Kind reduziert, kostenlos anzubieten, ist deshalb ein Schritt in die richtige Richtung.

Interview: KORDULA DOERFLER

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