: Ein echter Karrieresprung
Günter Hirsch, bisher Europarichter, wird neuer Präsident des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe
Der bisherige Europarichter Günter Hirsch wird nach sechs Jahren turnusmäßig ausgewechselt. Während andere Staaten ihre Luxemburger Richter so lange wie möglich im Amt halten, heißt es in Deutschland regelmäßig: Nach einer Amtszeit ist Schluss. So auch für Günter Hirsch, und doch ist bei ihm alles anders. Während seine Vorgänger an die Universität zurückgingen oder sich in den Ruhestand verabschiedeten, macht Hirsch als Präsident des Bundesgerichtshofes (BGH) einen echten Karrieresprung. Kein Wunder, dass der Bayer über seinen Abschied aus Luxemburg nur bedingt unglücklich ist. Zwar hat er die Arbeit am Europäischen Gerichtshof (EuGH) durchaus „genossen“, doch sagt er von sich selbst: „Ich suche immer wieder neue Herausforderungen.“
Der BGH ist sicher eine solche. Rund 120 Richter entscheiden in 17 Senaten letztinstanzlich über Straf- und Zivilstreitigkeiten. 16 Senate sitzen in Karlsruhe, einer – eher symbolisch – in Leipzig. Als Präsident ist Hirsch automatisch Vorsitzender des wichtigen Kartellsenats. Vor allem aber ist er Verwaltungschef und muss sehen, dass der Laden läuft. Die nötige Autorität bringt Hirsch hierfür sicher mit.
Ob er sich aber ebenso wie sein Vorgänger Karlmann Geiß in die Rechtspolitik einschaltet, wird sich zeigen. Geiß sah sich nicht nur selbst als „Gestalter“, sondern war als SPD-Mann auch ein wichtiger Berater von Justizministerin Herta Däubler-Gmelin. Gerade bei der anstehenden Neugestaltung des Zivilprozesses hat der Schwabe heftig für die Reform geworben und so vermutlich größeren Widerstand in der skeptischen Richterschaft verhindert. Der parteilose Hirsch kommt dagegen als Mann der Union an den BGH. Insider vermuten, dass er zumindest gewisse Rücksicht auf die bayerische Staatsregierung nimmt, die die Justizreform rigide ablehnt.
Doch schon in Luxemburg hat Hirsch die Erwartungen von konservativer Seite keineswegs erfüllt. Schnell hat er sich vom bayerischen Regionalisten zum überzeugten Europäer gewandelt. Und auch im Streit zwischen Bundesverfassungsgericht und EuGH hat er klar Position bezogen. „In einer Gemeinschaftsordnung muss das Gemeinschaftsgericht das letzte Wort haben“, so sein Standpunkt.
Eine Zersplitterung des Rechts sieht er allerdings dann nicht, wenn nationale Gerichte künftig stärker in die Auslegung von Europarecht einbezogen werden. Mit einem entsprechenden Vorschlag hat sich Hirsch jüngst in die aktuelle Diskussion um eine Reform des EuGH eingeschaltet. Man wird von ihm wohl noch einige Überraschungen zu erwarten haben. CHRISTIAN RATH
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