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Karaoke und Bergsteigen

■ Zuerst kommt die Musik und dann die Politik: Sleater-Kinney werden heute Abend hoffentlich das Logo zum Bersten bringen

Sleater-Kinney aus Olympia/Washington sind mal wieder auf Tour. Mit im Gepäck haben sie diesmal Ex-Helium Sängerin Mary Timony, eine Heldin des zartbitteren Liedguts, und wahrscheinlich noch eine Menge anderes Zeug: Schlagzeugerin Janet Weiss, die bei der neuen Platte der wieder auferstandenen Go-Betweens den Drummerinnen-Part übernahm, wird bestimmt ihren Karaoke-Apparat mit sich rumschleppen, die Sängerin/Gitarristin Corin Tucker – die mit der Sirenenstimme – hat sicherlich ihre Wanderstiefel dabei.

Carrie Brownstein, ebenfalls Sängerin und Gitarristin, fühlt sich besser, wenn sie ihre Feuerwehrmänner-, äh, Feuerwehrfrauenuniform samt Zubehör bei sich trägt, um Waldbrände löschen zu können. Oder Hotelzimmerbrände? Das steht wohl kaum zu befürchten, schließlich wissen sich Sleater-Kinney zu benehmen. Ihr 96er- Album Dig Me Out hievte die Band aus den Kreisen um das Label Kill Rock Stars und Queer-Core Bands wie Bratmobile und Bikini Kill auf die großen Bühnen. Und da wollte auch die „normale“ Presse plötzlich ein Stück vom Erfolgskuchen abbekommen und schrieb allerlei Kokolores, z. B., Sleater-Kinney würden ihre Instrumente so gut beherrschen, dass es egal sei, ob sie Männer oder Frauen seien. Das war für Sleater-Kinney, die sich bewusst als Frauen inszenieren, ein herber Schlag. Als dann noch die eigenen Reihen begannen, Sleater-Kinney vorzuwerfen, sie hätten sich verkauft, um berühmt zu werden, formulierte Corin Tucker klare Worte: „Zuallererst wollen wir als Musikerinnen respektiert werden und dann erst als politische Akti-vistinnen.

Aber wir sind nicht extra unpolitisch, um erfolgreich zu sein. Wir singen halt nur nicht sloganhaft darüber.“ Carrie Brownstein sieht das ähnlich: „Wir singen ohne Einschränkung über das, was uns inte-ressiert, sei es nun politisch oder unpolitisch, sei es in Punk- oder Rockmanier.“ Das beeinflusste sicherlich das Nachfolgealbum The Hot Rock, das okay war, aber auch nicht mehr. Das aktuelle Werk All Hands on the Bad One stimmt da wieder euphorischer. Neben den typischen Hate-Songs überrascht Corin Tucker mehrmals durch zurückhaltende Stimmführung und lässt manches Mal eine Kopfstimme hören, die nicht nur Gläser zu sprengen vermag. Wie das live klingt, bleibt abzuwarten, zumal Sleater-Kinney wieder im Logo spielen.

Club-Dissing Teil 2: Das Logo ist düster und darf sich mit dem Attribut „säulenverbautester Club der Stadt“ schmücken, treibt aber die Eintrittspreise ungleich in schwindelnde Höhen. Dabei würden Sleater-Kinney viel besser in Clubs wie die Bernsteinbar passen. Da wäre es kuschelig und glamourös. Und nach dem Konzert könnte man prima eine Karaoke-Party feiern ...

Barbara Schulz

 heute, 21 Uhr, Logo

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