RICHTER JENTSCH GILT IM CDU-VERFAHREN NICHT ALS BEFANGEN
: Schwerer Makel

Wenn die Justiz über politische Vorgänge urteilen muss, kann es heikel werden. Die dem Rechtsstaat eigene Fiktion des unparteiischen Richters wird dann schnell auf harte Proben gestellt. Deshalb sollten die Befangenheitsvorschriften hier besonders streng angewandt werden. Entscheidend ist dabei allein, ob in der Öffentlichkeit auch nur die „Besorgnis“ der Befangenheit aufkommen kann.

Die gestrige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird dieser Anforderung nicht gerecht. Der Zweite Senat des Gerichts hat beschlossen, dass Richter Hans-Joachim Jentsch an dem von der hessischen CDU-Landesregierung angestrengten Verfahren über die Zusammensetzung des hessischen Wahlprüfungsgerichts teilnehmen kann. Und das, obwohl Jentsch als ehemaliger CDU-Abgeordneter und CDU-Oberbürgermeister von Wiesbaden der klagenden Landesregierung durchaus nahe steht. Nicht einmal die Tatsache, dass der Ex-CDU-Landesvorsitzende Manfred Kanther Anwaltskompagnon von Jentsch geworden ist, konnte das Gericht beeindrucken. Dabei haben Kanthers schwarze Kassen die Prüfung der hessischen Landtagswahl erst ausgelöst.

Dieser schwer verständliche Mangel an Sensibilität in Karlsruhe ist auch nicht dadurch zu entschuldigen, dass das hessische Wahlprüfungsgericht vor drei Wochen ähnlich wenig Gespür gezeigt hat. Die hessische CDU greift nämlich nicht nur in einem durchsichtigen Manöver die Zusammensetzung des Gerichtes an, dem drei Landtagsabgeordnete angehören und das deshalb kein echtes Gericht sei. Gleichzeitig wurden auch die beiden Berufsrichter als befangen abgelehnt, weil sie sich als Privatpersonen für die SPD oder gegen die CDU-Kampagne zur doppelten Staatsbürgerschaft eingesetzt hätten. Wenn man einen strengen Maßstab anlegt, müsste dies für die „Besorgnis der Befangenheit“ genügen, schließlich geht es ja auch um die Finanzierung dieser Kampagne. Doch das hessische Gericht hat den CDU-Antrag mit dem formalen Argument als „unzulässig“ abgelehnt, die CDU-Abgeordneten seien zwar Betroffene, aber nicht „Beteiligte des Wahlprüfungsverfahrens“. Damit sind nun beide im Hessen-Fall befassten Gerichte mit einem Makel behaftet. CHRISTIAN RATH