ordnungsökonomik: Fundamentale Standortsuche
Die Grünen wollen ihre politische Programmatik erweitern und vertiefen. Und das zu Recht. Gerade in zentralen Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik können sie nicht auf vereinbarte und verlässliche Grundsätze zurückgreifen. Das ist eine wichtige Ursache dafür, dass sich ihre Ideen, ihr Charme und ihre Ausstrahlungskraft binnen zweier Regierungsjahre so schnell aufgezehrt haben wie bei keiner anderen Partei, die es je in den Bundestag geschafft hat. Prominente Grüne, unter ihnen Vorstandssprecher Fritz Kuhn und die nordrhein-westfälische Ministerin Bärbel Höhn, versuchen nun, diesem Missstand abzuhelfen. Unter dem programmatischen Titel „Grüne Ordnungsökonomik“ haben sie jetzt Thesen vorgelegt, um der Schröder-SPD die Definitionsmacht darüber streitig zu machen, was heute Begriffe wie „Neue Mitte“ und „Neue Ökonomie“ denn bedeuten.
Kommentar von HANNES KOCH
Die zentralen Fragen: Wo darf der freie Markt herrschen, und welche staatlichen Regulierungen sind notwendig, um sozialen Ausgleich und ökologische Zukunftsfähigkeit unter den Bedingungen eines schärferen globalen Wettbewerbs zu gewährleisten? Nur auf sehr wenigen Feldern konnte sich die junge Ökopartei bislang mit ihren rudimentären Vorstellungen einer modernen sozialökologischen Marktwirtschaft in der Regierungsarbeit durchsetzen. Die Öko-Steuerreform und die Vereinbarung zum geregelten Ausstieg aus der Atomenergie sind solche Themen, bei denen die rot-grüne Regierung ihre Richtlinienkompetenz gegenüber der Wirtschaft behauptet hat.
Allzu oft freilich ließen sich Grüne mangels eines soliden intellektuellen Fundaments in Richtung einer unregulierten Marktwirtschaft fortreißen. Die grüne Zustimmung zur vollständigen Steuerbefreiung für Unternehmensverkäufe ist nur ein Beispiel. In der Finanzpolitik regiert insgesamt der von den Grünen mitgetragene radikale Sparkurs, der den Spielraum für eine gesellschaftlich organisierte Verringerung der Arbeitslosigkeit gegen Null schrumpfen lässt.
Besinnung ist also geboten und dringend notwendig. Denn aus dem Bauch heraus tendiert die Mehrheit der Grünen offensichtlich eher zu schrankenlosem Liberalismus. Damit aber würde die Partei denselben Weg einschlagen wie die FDP seit dem Abtritt ihres sozialliberalen Personals während der 80er Jahre. Und die Grünen kämen in den fragwürdigen Genuss, auch eine Partei der Besserverdienenden zu werden.
Wirtschaft und Umwelt Seite 9
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