Finale in Camp David

Bei den Nahost-Friedensverhandlungen drohen Palästinenser und Israelis mit einer vorzeitigen Abreise. Der zentrale Streitpunkt beim Gipfeltreffen ist der künftige Status von Jerusalem

WASHINGTON rtr/dpa/taz ■ Bei den Nahost-Friedensverhandlungen in Camp David hat gestern der letzte Akt mit einem furiosen Auftakt begonnen. Der israelische Rundfunk meldete am Mittag, Ministerpräsident Ehud Barak werde das Gipfeltreffen mit PLO-Chef Jassir Arafat und US-Präsident Bill Clinton vorzeitig verlassen und mit seiner gesamten Delegation nach Hause fahren. Begründung: Nach sechstägigen Verhandlungen habe sich gezeigt, dass sich „die Palästinenser nicht wie ein Partner für den Frieden“ verhalten hätten.

Am Nachmittag dementierte der Sprecher des Weißen Hauses, Joe Lockhart, Baraks Reisepläne. „Die USA sind von niemandem informiert worden, dass Verhandlungsteilnehmer den Gipfel verlassen wollen, bevor Präsident Clinton ihn offiziell beendet hat“, erklärte Lockhart. Er gehe davon aus, dass die Verhandlungen bis Mittwochabend weitergehen. Zuvor hatte Clinton seine Reise zum G-8-Gipfel in Okinawa um 24 Stunden verschoben.

Mit der lancierten Abreisedrohung wollte Barak offenbar die anderen Teilnehmer des Gipfels unter Druck setzen. Im israelischen Rundfunk hieß es, die Israelis erwarteten jetzt eine Intervention der USA, um den Gipfel vor dem Scheitern zu bewahren. Arafat soll bereits vergangene Woche mehrfach mit seiner Abreise gedroht haben.

Bei den Verhandlungen geht es darum, eine endgültige Regelung für den israelisch-palästinensischen Konflikt zu finden. Über den offiziellen Stand der Verhandlungen gibt es keine konkreten Angaben. Die nach außen getragenen Informationen sind widersprüchlich und offenkundig von Verhandlungstaktik bestimmt. Nach Angaben aus Delegationskreisen ist der künftige Status von Jerusalem der schwierigste Punkt. Die Palästinenser wollen Ostjerusalem zur Hauptstadt ihres Staates machen. Israel, das die ganze Stadt als seine unteilbare Hauptstadt betrachtet, sei lediglich bereit, den Palästinensern Verwaltungskompetenzen, aber nicht die volle Souveränität über Ostjerusalem zuzugestehen. Israelischen Zeitungen zufolge dreht es sich bei dem Streit um 20 Prozent der arabischen Wohnviertel der Stadt.

„Die Positionen sind sich sehr nahe“, erklärt Shibley Telhami, Professor an der University of Maryland und Berater der US-amerikanischen UNO-Vertretung während der Golfkrise, „doch bei dem Rest, der zu verhandeln bleibt, handelt es sich auch um die vertracktesten Probleme überhaupt.“

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