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Knallgelbe Urwaldriesen friedlich in grün

■ Greenpeace startet Aktion gegen illegalen Urwald-Abbau im Privathafen der Nordenhamer Firma Midgard / Forderungen an Bundesregierung bleiben unerhört

Sechs Uhr morgens auf der Weser – der Himmel ist grau und es nieselt. Die 40 Meter lange MV Greenpeace schippert auf Nordenham zu. „Die Reederei hat unsere Aktion schon für gestern erwartet, als der Holzfrachter eingelaufen ist und deshalb rechnen wir heute nicht mit Widerstand“, freut sich Sprecherin Maja Buhmann. Und tatsächlich, im Holzhafen angekommen stehen nur zwei Kripobeamte, während die ersten Green-peace-Aktivisten mit knallgelber Farbe auf die im Hafen liegenden Holzstämme schreiben: „G8: Ihr zerstört die letzten Urwälder.“

Die Aktion richtet sich gegen den illegalen Abbau von Tropenhölzern in der ganzen Welt. Es soll die Reederei dazu bringen, keine Urwaldhölzer mehr anzunehmen. Die hüfthohen Baumstämme, 500 an der Zahl, die sich im Privathafen der Firma „Midgard“ stapeln, kommen aus Kamerun. Die Besatzung des am Hafen liegenden Holzfrachters „MV Aegis“ guckt zu. „Die kennt uns schon aus Portugal,“ erzählt Maja Buhmann. Dort versuchte Greenpeace das Beladen des Holzfrachters zu verhindern und wurde von der Polizei brutal vertrieben. Das Ganze ist Teil einer weltweiten Aktion zum heutigen G8-Gipfel in Japan.

Während Wind und Regen immer stärker werden, klettern einiger Greenpeace-Aktivisten die hohen Entladungskräne hinauf, um sich dort anzuketten. Das Anbringen der großen Transparente wird zum lebensgefährlichen Hochseilakt. Staunend sehen die hinzugekommenen Polizisten zu und schütteln den Kopf. Eingreifen tun sie nicht: „Ob und wann wir handeln hängt ganz von der Firmenleitung ab“, meint Polizeieinsatzleiter Uwe Hams achselzuckend. Doch die ist so früh am Morgen noch in der Beratung. Bis dahin stehen die Polizis-ten locker daneben und gucken zu.

Die Hafenarbeiter von Midgard sehen das jedoch ganz anders: „Greenpeace denkt gar nicht an unsere Arbeitsplätze“, schimpft einer. Im Übrigen sei die Aktion hier sowieso umsonst. Man solle lieber dort handeln, wo das Holz gerodet werde. „Die Stämme, die hier verarbeitet werden, sind doch nur ein verschwindend geringer Teil und fallen für das Klima gar nicht ins Gewicht“, wiegelt ein anderer das Ganze ab.

Greenpeace-Waldexperte Thomas Hennings weiß es besser. „Jährlich werden allein aus Afrika 110.000 Baumstämme nach Deutschland importiert“, sagt er. Fünf Hektar Urwald verschwinden, damit daraus ganze zehn Stämme werden. „Das fällt sehr wohl ins Gewicht.“ Die Einkaufspolitik der Länder solle sich ändern und nur durch unabhängige Gutachter geprüfte Hölzer kaufen, die wieder aufgeholzt werden. „Schon 80 Prozent der Urwälder sind verschwunden und wenn wir nicht aufpassen, ist bald gar nichts mehr übrig“, prophezeit Hennings.

Inzwischen hat die Midgard Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch gegen Greenpeace gestellt. Doch noch wird verhandelt. Hennings fordert die Namen der Firmen, die das Tropenholz bestellt haben, und hat ein Fax an Bundeskanzler Gerhard Schöder zum Gipfel der acht größten Industrienationen (G8) geschickt. Darin verlangt er, dass sich der Kanzler für ein Importverbot illegal gefällter Urwaldhölzer einsetzt. Die Farbe auf den Stämmen soll dazu dienen, das Holz in den Verarbeitungsfirmen wiederzufinden.

„Solange unsere Forderungen nicht erfüllt sind, werden wir nicht weichen“, so vier Frauen, die sich gerade an die bemalten Baumstämme gekettet haben. Mit Bolzenschneidern werden sie losgemacht, die sich dann widerstandslos von den aufgestapelten Stämmen heruntertragen lassen. Personalien werden aufgenommen und Fotos gemacht. Dann geht es für die vier zurück auf die MV Greenpeace, ohne dass eine einzige Forderung erfüllt wurde.

Melanie Rosenwirth

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