Sparen schadet

CONTRA: Die Rente darf nicht um eine private Vorsorge ergänzt werden. Dies gefährdet das Wachstum. Anlagen im Ausland werden nicht helfen

von HEINER FLASSBECK

Generationenvertrag oder private Vorsorge, die Rente steht auf dem Prüfstand. Nur wer heute Kapital anspart, so die allgemeine Meinung, trifft bezahlbare Vorsorge für die Zeit um 2030, in der es mehr Alte und weniger Junge gibt. Dahinter steckt ein schlichter, aber tief sitzender Trugschluss: Vorsorge des Einzelnen führe zum Sparen im Ganzen. Dieser Trugschluss hat archaische Wurzeln. Den Eichhörnchen gleich sparten sich unsere Vorfahren das Essen vom Munde ab, um für den Winter vorzusorgen. Allerdings: Sie horteten Nahrung für sechs Monate und nicht Geld für 30 Jahre. Wie transportiert die moderne Gesellschaft Geld in die Zukunft?

Im allgemeinen bringen wir das Ersparte zur Bank, kaufen Aktien oder Staatspapiere und hoffen auf Zinsen. Bank oder Aktienfonds wiederum leihen das Geld in der Hoffnung weiter, jemanden zu finden, der es in Fabriken oder Anlagen investiert. Wird das Geld nur rund um die Welt von einem Fonds zum anderen gejagt, wirft es noch keinen Gewinn ab. Nein, wenn es nicht der Staat nimmt, muss im In- oder Ausland ein Unternehmer gefunden werden, der sich zusätzlich netto verschuldet, um das Ersparte in ein reales Geschäft zu investieren. Erst wenn dieses Geschäft Gewinn abwirft, kann ein Zins gezahlt werden.

Entschließen wir uns heute, für die private Vorsorge mehr Geld als bisher zurückzulegen, steigt dann automatisch die Menge des Geldes, das Unternehmen weltweit in Sachanlagen investieren? Nur das kann gemeint sein, wenn man von privater Vorsorge spricht. Paradox ist jedoch: Das zusätzlich gesparte Geld verdirbt das heutige Geschäft aller Unternehmer dieser Welt, ohne ihnen Hoffnung für das künftige Geschäft zu geben. Jede gesparte Mark, die wir nicht für Güter ausgeben, mindert zwingend den Umsatz aller Unternehmen um genau eine Mark und damit den Gewinn und die Rendite. Wollen die Unternehmer dennoch investieren, müssen sie diese fehlende Mark von der Bank oder am Kapitalmarkt ausleihen und Zinsen dafür bezahlen. Hätten wir ihre Produkte gekauft und nicht gespart, hätten sie die Mark umsonst bekommen und eine höhere Rendite. Die Unternehmer werden folglich eher weniger, keinesfalls aber mehr investieren als bisher. Dann haben alle zusammen gerade nicht für die Zukunft vorgesorgt.

Es ist im Zeitalter der Globalisierung geradezu lächerlich, so zu tun, als sei es ein bedeutender Unterschied, ob das Unternehmen, das sich verschulden muss, damit die Rechnung der privaten Vorsorge aufgeht, im Inland oder im Ausland seinen Firmensitz hat. Die Welt rückt jeden Tag enger zusammen. Und die Welt ist in der Tat eine vollständig geschlossene Volkswirtschaft. Daher ist das Geldvermögen der Welt immer exakt gleich Null! Hinzu kommt: Kandidaten für private Vorsorge wegen Alterung sind fast ganz Europa und vor allem Japan. Das ist keine Quantité négligeable. Die USA, die als einzige von ihrer Wirtschaftskraft her als Schuldner in Frage kämen, sind heute schon im Ausland hoch verschuldet und werden früher oder später drastisch abwerten, um sich eines Teils ihrer Schulden zu entledigen.

Was folgt? Wenn wir in 30 Jahren viel mehr Rentner als Aktive haben, werden die Rentner weniger bekommen oder die Aktiven mehr bezahlen. Wer die Hauptlast trägt, müssen beide Gruppen miteinander ausmachen. Wir können die Lasten bis 2030 nur relativieren, indem wir bis dahin sehr viel Geld in Sachkapital investieren und 2030 so reich sind, dass Unternehmen, Arbeitnehmer oder Rentner das gut verkraften. Der Versuch aller Haushalte, durch mehr Sparen heute privat vorzusorgen, hilft dabei nicht, er schadet nur.