: Immer in die Fresse rein ...
■ In Bremen eröffnet eine neue Schule für „Make-up-Artists“ / Wer Berühmtheiten schminken will wie Stefan Raab, muss allerdings 6.000 Mark für die Ausbildung blechen
Sich selber schminken kann sie eigentlich nicht. „Das ist jedes Mal ein Chaos“, sagt Sandra Vogel, Make-up Artistin. Ein Blick in die Luft, kurzes Zögern: Doch, fällt ihr da ein, mit Wimperntusche und Labello klappt es ziemlich gut. Ganz zu schweigen von den Gesichtern anderer. Da zaubert sie mit Lippenstift, Lidschatten und allem Pipapo Ausdrücke wie romantisch-feminin oder elegant in die zarten Model-Antlitze.
Diese Kenntnisse will sie jetzt an sechs prädestinierte junge Menschen weitergeben: Im Herbst eröffnet die Bremerin eine Schule, in der Lernwillige in wirklich nur sechs Wochen für schlappe 6.000 Mark eine „charmant, individuell und professionell laufende Ausbildung“ zum Make-up Artist bekommen sollen. „Wir wollen eine große, familiäre Gruppe sein“, freut sich Vogel. Und daher auch der Name der neuen Bildungseinrichtung: „Make Up Team Artist School“.
In die Schule aufgenommen zu werden – vorausgesetzt die Finanzen stimmen erst mal – ist nicht so ganz einfach. Um die richtigen Kandidaten unter den Bewerbern ausfindig zu machen, würde Sandra Vogel am liebsten mit jedem mal eine kleine Spritztour im Auto durch den Bremer Stadtverkehr machen. „Dabei kann man wenigstens erkennen, wer sich nur hinten ranstellt und wer auch mal Gas gibt“, erklärt sie mit resolutem Ton.
In der Schule sollten die Gasgeber dann die weißen Kosmetikstühle besetzen. Schließlich ist der Job eines Make-up Artist auch nichts für Hintenransteller. „Die Szene ist knallhart“, weiß die künftige Schulleiterin, die schon seit Jahren mit Schminktöpfen und Lockenwicklern von Laufstegen über Filmsets zu Fotosessions rennt (Stefan Raab und Blümchen gehörten zu ihrem Klientel). Dass dieses ungewöhnliche Aufnahmevorhaben nicht wirklich realisierbar ist, hat Sandra Vogel auch schon erkannt. Also wird man sich wohl doch auf ein einfaches Probeschminken als Prüfung beschränken. „Dabei kommen meistens die wildesten Fehler raus, aber man kann wenigstens schon mal erkennen, wer das richtige Farbgefühl hat“, beschreibt Vogel.
Ist die Klasse irgendwann komplett, geht es erst mal an die Basis. Grundierungstechniken, Farbenlehre, „Schöngestalten des Gesichts“ (was so viel wie abdecken von Pickeln und anderen Unebenmäßigkeiten bedeutet). Bald danach wird zu den wahren Schminktechniken übergegangen. „Da wäre zum Beispiel das romantische Gesicht, das ein rosiges Puppenmake-up mit runden Augen bekommt“, zählt die Make-up Artistin auf. Auch die Mantafrau mit rosa Lippgloss, schwarz umrandeten Augen, blauem Lidschatten (das sogenannte feminine Make-up) wird in den Stunden unterrichtet.
Ausprobieren sollen die fleißigen Schüler an Übungsmodellen, die allerdings erst mal gefunden werden müssen. Auch hier ein ziemlich hoher Anspruch: Ähnlichkeit mit den „Top-Mädchen aus den Modezeitschriften“ sollen sie natürlich haben.
Weiter geht es zu Haaren und Maskenbildnerei, denn auch wenn das nicht Aufgabe eines Make-up Artist ist, werden solche Fähigkeiten leider immer wieder verlangt – aus Spargründen, sagt Vogel. Die richtige Lehrerin dafür ist sie jedoch nicht. „Eine Brandwunde oder 'nen Ganzkörpersonnenbrand krieg ich wohl noch hin“, zögert der Schminkprofi. Latexarbeiten (Hörner und Gesichtsknubbel –a la Enterprise) soll dann besser ein Maskenbildner vom Theater unterrichten. Auch das Haarbusiness überlässt sie lieber einem Profi. Für den modisch hoch auftupierten Schopf (die Bienenkorbfrisur) und Hochsteckarbeiten wird ein Hairstylist für den Kurs angeheuert.
Wenn die Lernenden dann in der Lage sind, Haare und Farbe an die richtigen Stellen zu legen und zu pinseln, geht es an die frische Luft zum Fotoshooting. Mit den Ergebnissen können sich die angehenden Make-up Artists dann ihre Mappe zusammenstellen.
Sandra Vogel hat mit einer Frisörinausbildung und der Kosmetikschule in Bremen angefangen. Ein Kopfschütteln beim Gedanken daran. „Ich hab mich immer schon mehr für das Make-up interessiert. Auf der Kosmetikschule lernt man aber nur Dinge über Cremetöpfchen und Schönheitspflege“, ärgerte sie sich damals. Eine Visagistenschule in Hamburg vermittelte ihr dann die erwünschten Kenntnisse. Sofort beugt sie sich mit verschränkten Armen auf dem Tisch vor und macht klar, dass ihre Schüler auf keinen Fall Visagisten, sondern Make-up Artists werden. „In jedem Kosmetikladen nennen sich die Angestellten Visagisten, nur weil sie Typberatung machen und Lippenstift auftragen können“, beschwert sich die künftige Schulleiterin. Das ist ihr nicht genug, sagt sie, und lehnt sich wieder entspannt im Stuhl zurück.
Schließlich werden ihre Schüler nicht für den Endverbraucher ausgebildet, sondern ganz speziell für Film, Fotos und Laufsteg. Dafür gibt es am Ende sogar ein richtiges Zertifikat. Vogel: „Obwohl das eigentlich nicht wichtig ist, dafür interessiert sich nämlich niemand in der Szene. Da zählt das praktische Können.“ Und selbst wenn: Visagist oder Make-up Artist sind keine geschützten Berufsbezeichnungen. Es könnte also jeder kommen, egal ob Zertifikat oder nicht. Aber Sandra Vogel ist von ihrem Konzept überzeugt: „Mit meiner Ausbildung bekommen sie auf jeden Fall alles, um auf dem Markt bestehen zu können.“ Imke Gloyer
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